IM JAHR DES HASEN: ROTER STERN ÜBER TIGEROCHSENERDE

VON CHRISTIAN Y. SCHMIDT

Hartnäckig hält sich unter westlichen Verlegern das Gerücht, Bücher über China seien schwer verkäuflich. Das Gerücht muss bereits älter sein. Hilary Spurling, die britische Biografin der amerikanischen Literaturnobelpreisträgerin Pearl S. Buck, berichtete neulich in Peking, Bucks Agent habe das erste Buch der Autorin „Ostwind, Westwind“ zwölf Monate lang vergeblich verschiedenen Verlagen angeboten, bis es endlich von dem kleinen, ums Überleben kämpfenden Verlag „John Day“ genommen wurde. Dem Folgeroman „Die gute Erde“ erging es 1931 ähnlich.

Auch der amerikanische Journalist Edgar Snow hatte offenbar Schwierigkeiten, sein Buch „Roter Stern über China“ 1937 an einen Verlag zu bringen. „Niemand dachte“, so zitiert Spurling Snows Ehefrau Helen Foster Snow, „irgendetwas aus oder über China sei für die USA von Interesse. Du konntest es nicht verkaufen.“ Deshalb erschien Snows Buch zuerst im Left Book Club in Großbritannien, unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit. Allerdings wurden die chinaphoben Verleger bereits damals eines Besseren belehrt. „Die gute Erde“ verkaufte nicht nur in den ersten beiden Jahren nach Erscheinen fast zwei Millionen Exemplare. Das Buch wurde auch mit großem Erfolg verfilmt und zu einem Theaterstück umgearbeitet. Außerdem bescherte es seiner Autorin den Pulitzerpreis und 1938 als erster amerikanischer Frau den Nobelpreis für Literatur.

Snows Buch war trotz seines Erscheinens in dem Buchclub ein solcher Erfolg, dass es im selben Jahr, in dem Buck den Nobelpreis erhielt, bei Random House in New York herauskam. Ebenso wie „Die gute Erde“ ist es bis heute in Druck, und soll sich inzwischen gut zwei Millionen Mal verkauft haben. Wie viele Bücher von „Die gute Erde“ insgesamt über den Ladentisch gingen, ist kaum zu überprüfen, auch weil es in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurde.

Trotz dieser imposanten Zahlen tun sich westliche Verleger weiterhin mit China-Themen schwer. Frau Spurling erzählte, ihr Verlag sei zunächst nicht sonderlich begeistert gewesen, als sie vor gut vier Jahren die Pearl-S.-Buck-Biografie vorschlug. Die alte China-Trulla, so der Tenor, würde doch heutzutage keinen mehr interessieren. Nur weil Spurling zuvor eine erfolgreiche Henri-Matisse-Biografie abgeliefert hatte, ließ man sie gewähren.

Auch ich weiß von Autoren, die ihre China-Bücher bei deutschen Verlagen angeboten haben und eine Absage nach der anderen kassierten. Die Begründung lautete: Nach den Olympischen Spielen 2008 und der China-Buchmesse im Jahr 2009 sei China jetzt „durch“.

Zum Glück gibt es auch andere Verlage. Zu diesen zählt der kleine Berliner Verbrecher Verlag, in dem soeben ein wirklich tolles Chinabuch erschienen ist. Es heißt „Im Jahr des Tigerochsen“ und enthält sämtliche an diesem Ort erschienenen „Im Jahr …“-Kolumnen der letzten beiden Jahre. Jetzt sind Sie gefragt, aus diesem kleinen Unternehmen den John-Day-Verlag unserer Tage zu machen. Also: Kaufen Sie!