die wahrheit: Ziege tot, Urlaub vorbei

Eigentlich kann ich es kurz machen: Ziege tot, Essen gut, Urlaub vorbei. Vegetarier, bitte nicht weiterlesen! ...

... Ich habe einen wunderbaren Westküstensommer hinter mir, aber der ist nicht jedermanns Geschmack. Es fielen ein paar Schüsse. Mann und Sohn schleppten frische Kadaver auf den Schultern nach Hause, knüpften sie am Baum auf und nahmen gekonnt Bock und Zicke aus. Die Fliegen waren die Pest, und das Fell stank nach zwei Tagen. Aber das Gulasch schmeckte lecker, nach Regenwald und Rotwein. Der Haussegen im Housetruck hing wieder gerade. Initiation bestanden.

Dass wir Neuankömmlinge in der Wildnis unter die Jäger gegangen waren, sprach sich in der Nachbarschaft herum. So viel passiert zwischen Westport und Greymouth schließlich nicht, denn "Nachbar" heißt dort, dass man einen halben Kilometer voneinander entfernt wohnt. Kaum jemand hat ein Telefon, nur wenige haben Strom. Der Camping-Kühlschrank läuft mit Gas, und wenn ers nicht mehr tut, dann wickelt man ihn in eine Decke und schubst ihn kurz den Hang runter. Das säubert die verstopften Rohre oder Düsen, und das Ding läuft wieder wie neu, "good as gold".

Den Tipp bekam ich vom Elektriker in Westport. Dort trägt man bevorzugt Vokuhila, auch gern mit Stirnband. Die Herren kleiden sich bei "Phil Wood" ein, wo es neonfarbene, ballonseidene Regenjacken gibt und nagelneue Safari-Anzüge, die Tim und Struppi jede Ehre machen. Nebenan verkaufen sie T-Shirts mit dem Spruch "Was Titten oder Reifen hat, macht nur Ärger". Die Secondhandläden werden bevorzugt von alten Damen durchkämmt, auch sie tragen Vokuhila. Ich liebe Westport, die unzivilisierteste Zivilisation weit und breit.

Aber zurück in die Wildnis. Tony schaute vorbei, ein passionierter Ziegenkiller, geradezu fanatisch. Tony trägt immer eine orangefarbene Schutzweste, wenn er sich ins Gestrüpp begibt, und wurde für seine ungebremste Schädlingsbekämpfung kürzlich von der Naturschutzbehörde ausgezeichnet. Die Nachbarn dagegen grummelten: Tony ballert so viele Viecher ab, dass für die anderen kaum noch was bleibt. Und die Küstenbewohner ernähren sich nun mal von Naturalien.

Fraser, ein alter Mann in einer Hütte am Strand mit großem Gewächshaus, schenkte uns Heringe. Die grillten wir auf dem Feuer. Fraser sprach nicht viel, er wird gern in Ruhe gelassen. Was wahrscheinlich an seinem Nebengeschäft liegt. Er gab uns Nichtsahnenden nämlich auch einen Bananenkuchen mit. Den sollten wir bei anderen Nachbarn abgeben. Erst, als die Empfängerin den Kuchen in der Mitte durchschnitt und etwas darin suchte, ahnten wir schließlich, dass Fraser wohl nicht nur Bäcker und Fischer ist, sondern auch Gärtner. Oder besser: Plantagenbetreiber.

Wenn es dunkel wurde, schossen meine Söhne Possums von den Bäumen. Sie rupften sie noch warm von Hand, das Fell ist was wert. So bessert man in meiner Familie jetzt sein Taschengeld auf. Und ich mache bald den Waffenschein und werde Grasbananenkuchenkurier.

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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