Die Wahrheit: Unzucht im irischen Parlament

Irlands Politiker mögen korrupt und inkompetent sein, aber manchmal sind die Parlamentsdebatten höchst unterhaltsam. Am Donnerstag ging es um die Haushaltssteuer.

Irlands Politiker mögen korrupt, verlogen und inkompetent sein, aber manchmal sind die Parlamentsdebatten höchst unterhaltsam. Vorigen Donnerstag ging es zunächst um die geplante Haushaltssteuer. Energieminister Pat Rabbitte fuhr dem linken Abgeordneten Richard Boyd-Barrett in die Parade:

„Bloß weil du einen Doppelnamen hast, darfst du noch lange nicht zwei Fragen stellen.“ Boyd-Barrets Parteikollege Joe Higgins kam ihm zu Hilfe und blaffte Rabbitte an: „Bloß weil du ein Doppelkinn hast …“ Der Rest des Satzes ging in Tumulten unter.

Dann schlug Higgins dem Umweltminister Phil Hogan vor, er möge ein bisschen Flöte spielen und mit der karierten Schiebermütze seines Landeikollegen Michael Healy-Rae um Geld betteln. Da hätte er bessere Chancen, an ein paar Cent zu kommen, als mit seiner Haushaltssteuer, die von mehr als der Hälfte der Bürger boykottiert wird. Wieder kam es zu Tumulten.

Das war allerdings lediglich ein Vorgeplänkel, denn nun stand das Thema Abtreibung auf der Tagesordnung. 20 Jahre nach dem „Fall X“ hatten die linken Abgeordneten ein Gesetz eingebracht, das Schwangeren unter bestimmten Bedingungen eine Abtreibung gestatten soll.

Der „Fall X“ war 1992 um die Welt gegangen. Damals war eine 14-Jährige nach einer Vergewaltigung schwanger geworden, doch ein Gericht verweigerte ihr die Ausreise zu einer Schwangerschaftsunterbrechung in England. Erst das höchste irische Gericht entschied, dass Abtreibung zulässig sei, falls das Leben der Schwangeren bedroht sei – also auch bei Suizidgefahr. Bis heute ist das Urteil nicht ins Gesetzbuch aufgenommen worden.

Nun schlug die Stunde der Abgeordneten Michelle Mulherin von der Regierungspartei Fine Gael. „Gottes Gnade ist so befreiend und hält so viele Optionen bereit“, sagte sie und kramte ein Wort hervor, das kaum mehr gebräuchlich ist: „Fornication.“ Das bezeichnet einvernehmlichen Sex zwischen Unverheirateten. Und der sei Hauptgrund für ungewollte Schwangerschaften in Irland, erklärte sie den verblüfften Abgeordneten. Erneut kam es zu Tumulten, als sich Higgins für die Erkenntnis bedankte, dass man durch Sex schwanger werden könnte.

Twitter brummte danach mit Kommentaren, die meisten verknüpften die beiden Debattenthemen: Die Europäische Zentralbank würde eine „Unzuchtsteuer“ niemals zulassen, schrieb einer, denn die Bank treibe schließlich Unzucht mit den irischen Steuerzahlern. Ein anderer verlangte prophylaktisch eine Ermäßigung, denn er habe selten außerehelichen Sex.

Die Gesetzesvorlage zur Abtreibung wurde übrigens abgelehnt. Man wolle den Bericht eines Expertenausschusses abwarten, erklärte die Regierung. Das dauert noch mal 20 Jahre. Mulherin gehört als Expertin unbedingt in diesen Ausschuss. Außerdem sollte sie Untersuchungen leiten, ob man durch häufiges Sonnenbaden einen Sonnenbrand bekommt oder durch übermäßigen Alkoholgenuss betrunken wird. Ein weiterer Ausschuss sollte klären, warum im irischen Parlament überwiegend Knalltüten sitzen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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