Die Wahrheit: Stuhlgang mit offenem Mund

Einerseits behaupten die Briten, die Toilette erfunden zu haben, andererseits wissen die britischen Männer bis heute nicht, wie man sie richtig benutzt.

Die Briten und ihre Toiletten – eine Geschichte der Widersprüche. Einerseits behaupten sie, die Toilette erfunden zu haben, andererseits wissen zumindest die britischen Männer bis heute nicht, wie man sie richtig benutzt.

Wenn man kurz vor dem Zapfenstreich in einem Pub das Herrenklo aufsucht, bietet sich ein Bild des Grauens. Auf dem Boden liegt verstreutes Toilettenpapier, die Klobecken sind dreckig, weil niemand die Bürste benutzt, und die Sitze sind urinverklebt, weil sich keiner die Mühe macht, vor dem Stehpinkeln die Brille hochzuklappen.

Dabei feiert Großbritannien den 160. Jahrestag öffentlicher Toiletten, die angeblich von einem Engländer erfunden worden sind. Deshalb fühlen sich die Briten als führende Klonation. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. In Mesopotamien gab es bereits 2.400 v. Chr. öffentliche Klos, die Griechen kannten Etablissements mit Platz für 44 Notdürftige, von den Römern ganz zu schweigen: Ihnen bescheinigte James Joyce geradezu eine Latrinenbesessenheit.

Selbst im eigenen Land hätten die Briten fündig werden können, wenn sie einen Blick in die Toilettengeschichtsbücher geworfen hätten. Ende des 16. Jahrhunderts hatte John Harrington, ein Neffe von Königin Elisabeth I., ein pumpenbetriebenes Wasserklo präsentiert, doch die Tante fand das eklig und verstieß ihn. Und die öffentliche Toilette, deren 160-jähriges Bestehen gefeiert wird, stand schon ein Jahr früher in der Fleet Street – zur ersten Weltausstellung 1851.

Wenn es dagegen um Kloexzentrik geht, sind die Briten kaum zu schlagen. Als Elisabeth II. im Jahr 1989 Jersey besuchte und eine Inselrundfahrt machte, hatten die Bewohner zuvor einen strategisch günstigen Bauernhof ausgesucht und dem Farmer eine 25.000 Pfund teure Toilette in den Garten gestellt. Die Queen hatte aber eine stärkere Blase als angenommen.

In Schottland machen sie es noch eine Nummer teurer. Die Insel Handa liegt fünf Kilometer vor der Nordwestküste, sie ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts unbewohnt, wenn man von den dort brütenden 100.000 Meeresvögeln absieht. Die locken im Sommer zahlreiche Hobbyornithologen an, und damit die es den Vögeln nicht gleichtun und die Insel zukacken, hat man ihnen jetzt eine Toilette für 50.000 Pfund hingestellt.

Das Klo musste mehr als zwei Meter tief in den Boden einzementiert werden, damit es bei den regelmäßigen Stürmen nicht wegfliegt. Das Boot, das die Baumatrialien lieferte, musste den Landungsversuch wegen des Wetters mehrmals abbrechen, aber nun steht das Häuschen auf dem Hügel über dem Strand. Es ist vermutlich die abgelegenste öffentliche Toilette der Welt.

Ob das schottische Gesundheitsamt sein Merkblatt mit dem Titel „Die Dynamik des guten Stuhlgangs“ dort auf dem Klo ausgelegt hat, ist nicht bekannt. Darin wird den die richtige Sitzhaltung und die beste Atemtechnik („entspannt mit offenem Mund“) beim Stuhlgang erklärt. Vielleicht sollte das Gesundheitsamt lieber grundlegende Verhaltensmaßregeln auf den Toiletten sämtlicher britischen Pubs auslegen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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