DIE WAHRHEIT: Schöner wohnen für Trottel

Dem Engländer an sich ist wenig peinlich. Davon lebt eine ganze Reihe von Fernsehsendungen – zum Beispiel jene, bei denen es um „schöner wohnen“ geht.

Dem Engländer an sich ist wenig peinlich. Davon lebt eine ganze Reihe von Fernsehsendungen – zum Beispiel jene, bei denen es um „schöner wohnen“ geht. Fast jeder britische Sender hat eine solche Show, und sie unterscheiden sich im Konzept nur minimal. Bei allen geht es darum, dass fremde Menschen über eine Bruchbude herfallen und sie renovieren, während ein Kamerateam alles filmt.

Channel 4 hat gleich mehrere dieser Sendungen im Programm. Bei einer geht es lediglich um eine gründliche Reinigung. Man muss entweder ein dickes Fell oder keine Freunde haben, um der Nation seine verdreckte Wohnung zu präsentieren. Die Show „Du verdienst dieses Haus“ ist heimtückischer. Den Hausbesitzern wird vorgegaukelt, dass sie ein Wochenende in einem Fünf-Sterne-Sotel gewonnen und zehn Minuten Zeit zum Packen haben. Wenn sie zurückkehren, müssen sie feststellen, dass während ihrer Abwesenheit irgendwelche Dekorateure das Haus nach eigenem Geschmack renoviert haben.

Der Fernsehsender ITV hat eine Billigvariante: Bei „60 Minuten Verschönerung“ bleibt den Hobbyhandwerkern nur eine Stunde, um Unheil anzurichten. Die entsetzten Gesichter der Heimkehrer interpretieren die Moderatoren stets als „freudigen Schock“.

Die Engländer lieben diese Shows, weil es so ähnlich ist, wie bei den Nachbarn durchs Schlüsselloch zu spähen – mit der Zugabe einer gehässigen Moderatorin, die sich über den miserablen Geschmack der Bewohner lustig macht, wie bei „Schönere Innenausstattung“ von Channel 5. In dieser Show ziehen schlecht gelaunte Handwerker ins Haus der Opfer ein, schmeißen die persönlichen Gegenstände als „Gerümpel“ in den Müll, ersetzen die Teppiche durch braunes Laminat und verwandeln das Wohnzimmer in einen Raum, der wie das Foyer einer internationalen Hotelkette aussieht. Am Ende halten die Besitzer meist den Schnabel, um nicht noch mehr gedemütigt zu werden. Aber nicht immer.

Colin Gibson und Judi Campbell aus dem schottischen Perthshire wandten sich an die Presse, nachdem das Channel-5-Team ihr 120 Jahre altes Cottage verhunzt hatte. Die Renovierungsarbeiten waren dilettantisch ausgeführt, der alte Holzfußboden ist nach dem Abschleifen laut Gibson „uneben wie die Sahara“, die Dunstabzugshaube hangt so niedrig, dass die Besitzer sich ständig Kopfverletzungen zuziehen. Und das Original-Treppengeländer ist durch eine Holzlatte ersetzt worden, die „von einem Zwölfjährigen angebracht“ wurde, wie Gibson irrtümlich vermutete: Es waren pensionierte Feuerwehrleute.

Das Ganze kostete Gibson und Campbell 15.000 Pfund. Obendrein wurden sie als ahnungslose Trottel hingestellt – allerdings zu Recht. Wer so naiv ist zu glauben, dass es bei solchen Shows um Verschönerungen und nicht um die billige Belustigung der Fernsehzuschauer geht, hat es nicht anders verdient. Vielleicht können sie sich bei „Demolition“ bewerben, einer Show von Channel 4, bei der die Zuschauer darüber abstimmen, welche Gebäude abgerissen werden sollen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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