Die Wahrheit: Die beste Kolumne von allen

Im Jahr des Drachen: Eigentlich sollte dies die beste Kolumne des ganzen Jahres werden, vielleicht sogar die beste aller Zeiten. ...

Eigentlich sollte dies die beste Kolumne des ganzen Jahres werden, vielleicht sogar die beste aller Zeiten. Eventuell wären in ihr die allerletzten Geheimnisse Asiens enthüllt worden. Vielleicht hätte ich aber auch über Generalsekretär Xi Jinpings bemerkenswerte Reise in den Süden geschrieben, die er in der vergangenen Woche machte und die an eine noch bemerkenswertere Reise Deng Xiaopings vor 20 Jahren anknüpfte. Und das alles in einem ausgesuchten Vokabular, gespickt mit den originellsten Fakten.

Leider ist daraus nichts geworden. Der Grund: Ich kämpfe schon seit ein paar Wochen wieder einmal mit meinem Virtual Private Network (VPN). Das hat mir in der Vergangenheit fast immer zuverlässig geholfen, die Great Firewall of China zu überwinden und ins halbwegs freie Internet zu gelangen. Im Moment funktioniert es aber nur gelegentlich. Ich muss mich alle zwei Tage um neue Verbindungsdaten kümmern, weil die chinesische Internetzensur immer wieder neue Kniffe findet, mit denen sie die VPN-Verbindungen blockiert.

Einerseits ist dieser Kampf eine interessante Sache. Ich schreibe laufend Mails an das Hauptquartier meines VPN-Providers, der in Los Angeles residiert. So verbessere ich nicht nur meine Computer- und Internet-Kenntnisse, ich habe jetzt auch einen völlig neuen Bekanntenkreis. Shirin zum Beispiel hat die meiste Ahnung. Sie kennt nicht nur die besten Tricks, sie versucht mir auch zu erklären, wie etwas technisch funktioniert. Obwohl ich sie noch nie gesehen habe, bin ich etwas in Shirin verliebt. David dagegen kann ich nicht leiden. Er erklärt einem gar nichts, und nachdem ich ihm neulich eine ungehaltenere Mail geschrieben habe, grüßt er mich nicht mehr. Marc und Matt sind mir egal.

Andererseits hält mich das Blockadebrechen aber auch von der Arbeit ab. Ich habe keine Zeit mehr, mir schönes Vokabular auszusuchen. Und weil ich tagelang nicht auf die andere Mauerseite komme, kann ich bestimmte Fakten nicht recherchieren. So wäre es mir momentan kaum möglich, eine Kolumne zu verfassen wie die im vergangenen Mai über den Dalai Lama, weil mir die Informationen und Zitate von exiltibetischen Homepages nicht zugänglich sind.

Aus besagter Kolumne hat übrigens die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua im Juli eine englischsprachige Meldung gebastelt, in der so getan wurde, als sei ein großer Teil der „German Media“ endlich gegen den gelbgewandeten Grinsemann aufgestanden. Bleiben die Blockaden, kann Xinhua künftig ähnliche Meldungen vergessen – weil keiner mehr in der Lage ist, ähnliche Artikel zu schreiben, die der Agentur als Vorlage dienen können. Jedenfalls keiner, der in China wohnt.

Es wird wirklich langsam Zeit, dass die albernen VPN-Blockaden verschwinden, am besten gleich zusammen mit der ganzen großen Feuermauer. Der Himmel wird der chinesischen Regierung deshalb schon nicht auf den Kopf fallen. Und wenn doch, übernehme ich dafür die Verantwortung. Okay, abgemacht?

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kari

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