Demo zum Auftakt der Bonner Biowochen: Pollen kennen keine Grenzen

Während 2.000 Gentechnik-Gegner aus aller Welt demonstrieren, verhandeln Delegierte darüber, wer für Schäden durch genmanipulierte Organismen haften muss.

Sie isst nichts, was ein genmanipuliertes Gesicht hat. Bild: dpa

BONN taz Aus der ganzen Welt sind sie nach Bonn gereist: Landwirte aus Brasilien und Indien, AktivistInnen aus Kanada, Ungarn und Bangladesch, PolitikerInnen aus Russland und Bolivien: Sie alle eint die Ablehnung der Gentechnik und der Kampf gegen die Konzerne und Regierungen, die sie propagieren. Bauern hätten es immer schwerer, sich gegen Gentechnik zu wehren, berichtete Percy Schmeiser. "Genmanipulierte Organismen machen ökologischen und konventionellen Anbau unmöglich, denn Pollenflug lässt sich nicht eingrenzen", sagte der Landwirt aus Kanada, der sich jahrelang mit dem Agrarmulti Monsanto vor Gericht über Gentech-Raps gestritten hatte, der gegen seinen Willen auf seinen Feldern gewachsen war. In Kanada sei es darum bereits praktisch unmöglich, Raps oder Soja ohne Gentechnik anzubauen, sagte Schmeiser. "Schaffen Sie sich in Europa nicht die gleichen Probleme!"

Die indische Aktivistin Vandana Shiva, wie Schmeiser Träger des Alternativen Nobelpreises, berichtete, dass Bäuerinnen und Bauern durch Gentechnik von Konzernen abhängig werden und ihre Lebensgrundlage verlieren. In ihrer Heimat hätten sich aus diesem Grund bereits mehr als 4.000 Landwirte das Leben genommen. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, forderte ein EU-weites Referendum. "Zwei Drittel der Menschen in Europa sind gegen genveränderte Lebensmittel. Das muss sich endlich in Gesetzen niederschlagen", sagte Weiger am Montag vor gut 2.000 DemonstrantInnen, die mit 25 Traktoren, vielen Transparenten und bunten Verkleidungen von den Rheinauen vor das Hotel Maritim gezogen waren.

Auftakt des Sitzungsmarathons: Vertreter aus 150 Staaten verhandeln in Bonn bis Freitag die Weiterentwicklung des "Cartagena-Protokolls", das unter dem UNO-Dach den Handel mit gentechnisch veränderten Organismen regelt. Von Dienstag bis Freitag debattieren zudem rund 750 VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen aus über 100 Ländern auf einem eigenen Gipfel unter dem Motto "Planet Diversity" (Planet der Vielfalt) ihre Vorstellungen von einer gentechnikfreien Landwirtschaft sowie über den Kampf gegen Biopiraterie (www.planet-diversity.org). Vom 19. bis 30. Mai findet dann die große UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt statt, zu der über 5.000 Teilnehmer erwartet werden.

Im Inneren des Maritim sind am Montag ebenfalls über 2.000 Menschen aus aller Welt eingetroffen, um über Gentechnik zu verhandeln. Doch das von den Demonstranten geforderte Verbot steht dort nicht auf der Tagesordnung. Stattdessen stehen Haftungsregeln für Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen im Mittelpunkt. Denn das sogenannte Cartagena-Protokoll, das den Handel mit Gentechnik-Produkten international regelt, enthält bisher keine Antwort auf die Frage, wer bei Umwelt- und Gesundheitsschäden zahlen muss. Das soll sich bei den Beratungen in Bonn, die bis Freitag dauern, ändern.

Doch die Erfolgsaussichten sind nach Ansicht von Beobachtern gering. Einige wichtige Gentechnik-Exporteure wie die USA oder Argentinien haben das Cartagena-Protokoll bisher nicht unterzeichnet. Andere wie Japan und Brasilien hätten im Vorfeld der Konferenz deutlich gemacht, dass sie völkerrechtlich verbindlichen Haftungs- und Entschädigungsregeln nicht zustimmen werden, sagte Jan van Aken, Gentechnik-Experte bei Greenpeace. Zum Auftakt der Konferenz sorgten die sechs großen Gentechnik-Konzerne BASF, Bayer, Dow, Monsanto, DuPont/Pioneer und Syngenta mit einem eigenen Vorschlag für Haftungsregeln auf freiwilliger Basis für Ärger. "Die Unternehmen wollen eine Haftung quasi in allen denkbaren Fällen ausschließen", kritisierte van Aken. "Das ist ein Witz."

Aufseiten der gastgebenden Bundesregierung gibt es zu dieser Frage "keine abgestimmte Haltung", sagte der deutsche Delegationsleiter Wolfgang Koehler aus dem Landwirtschaftsministerium. Sein Eindruck sei, dass der Industrievorschlag "viele Fragen offenlässt" und durch die späte Veröffentlichung wenig Chancen habe. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) war der Eröffnung der Sitzung ferngeblieben. "Der Minister duckt sich weg", kritisiert Greenpeace-Mann Jan van Aken.

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