Proteste gegen Biodiesel-Produzenten: Kolonialmethoden für mehr Agrospritpflanzen

Nach Protesten der lokalen Bevölkerung im Norden Ghanas muss eine norwegische Biospritfirma ihre Plantagen-Pläne stoppen.

STOCKHOLM taz Der Daumenabdruck stammt von einem Häuptling, der Analphabet ist und sagt, dass er keine Ahnung hat, um was es in dem Dokument geht. Trotzdem hielt ihn der norwegische Biodiesel-Produzent Biofuel A/S für ausreichend, um im Norden Ghanas eine Fläche von 380 Quadratkilometern, das entspricht beinahe der des Bundeslandes Bremen, in Besitz zu nehmen, um dort eine Plantage anzulegen. Vorläufig gestoppt wurden diese Pläne jetzt, nachdem die Umweltschutzorganisation Gaia dem Deal auf die Spur gekommen war. Von "Methoden aus der dunkelsten Kolonialzeit" spricht Bakari Nyari, stellvertretender Vorsitzender der ghanaischen Nichtregierungsorganisation Rains (Regional Advisory and Information Network Systems).

Das Dokument mit dem Daumenabdruck soll die bislang größte Jatropha-Plantage der Welt legitimieren. Der Samen der Pflanze besteht zu mehr als 30 Prozent aus Öl. Hieraus können Agrotreibstoffe raffiniert werden.

Als Biofuel A/S damit begann, Bäume abzuholzen und andere Vegetation zu roden, protestierte die Lokalbevölkerung - mit der Folge, dass die zuständigen ghanaischen Behörden das Projekt zunächst stoppten. Nyari: "Der Daumenabdruck eines Häuptlings genügt nicht. Dieser müsste für so ein Geschäft auch die Zustimmung der Bevölkerung haben." Er sei nicht Eigentümer, sondern verwalte das Land nur für die Gemeinschaft. Ausländische Gesellschaften würden diese unklare Rechtslage gerne ausnutzen.

Das bestreitet Finn Byberg, bei Biofuel A/S für die Bodengeschäfte in Ghana verantwortlich: "Der Häuptling ist Landeigentümer." Trotz dieser Einschätzung hat die norwegische Firma jetzt neue Verhandlungen angeboten. Sie will nun einen Pachtvertrag haben und bietet dafür jährlich 2 Dollar pro Hektar Land. Die lokale Bevölkerung verlangt für die Pacht hingegen 5 Dollar pro Hektar.

Ghana ist für Agrospritproduzenten eine begehrte Adresse. Neben Biofuel A/S haben sich dort allein zwei weitere norwegische Unternehmen im großflächigen Anbau mit der giftigen, aber effektiven Jatropha-Pflanze engagiert. Die Firma Scanfuel hat Verträge über Jatropha-Anbau auf einer Fläche von 8.000 Quadratkilometern geschlossen, vergleichsweise der Hälfte des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Ein schwedisches Unternehmen hat darüber hinaus in Zusammenarbeit mit brasilianischen Interessenten angekündigt, eine große Zuckerrohrplantage anzulegen und eine Raffinerie für Zuckerrohr-Ethanol zu bauen.

Doch Bakari Nyari kritisiert grundsätzlich, dass westliche Unternehmen Land in Afrika für Biotreibstoff-Plantagen verwenden: "Die lokale Bevölkerung braucht das Land selbst. Für den Anbau von Lebensmitteln, für Brennstoff und anderes." Rains fordert deshalb auch zunächst ein grundsätzliches Moratorium für die Umwandlung neuer Landflächen zu Agrospritpflanzen-Kulturen. Bei Biofuel A/S meint man dagegen, es handele sich bei den fraglichen Bodenflächen um Savannen - und dort, so Nyberg, "findet per Definition keine Nahrungsmittelproduktion statt".

Rains zitiert hingegen eine Frau aus dem von den Rodungen bereits betroffenen Gebiet um das nordghanaische Dorf Kusawgu: "Seht alle diese Sheanuss-Bäume an, die schon gefällt worden sind. Die Nüsse, die ich da in einem Jahr gesammelt habe, haben mir Kleidung gegeben und ein kleines Kapital." Davon hätte sie sich in guten Jahren eine Kuh kaufen können. Nun habe man ihr Einkommen zerstört gegen das vage Versprechen, vielleicht irgendwann auf einer Plantage Arbeit zu finden: "Und wenn nicht? Wohin soll ich dann gehen, was soll ich dann tun?"

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