Ultrakurz und superteuer: Die Kanzler-U-Bahn rollt

VERKEHR In Berlin fährt jetzt die kürzeste U-Bahn Deutschlands. Sie hat 320 Millionen Euro gekostet

BERLIN taz/dpa | Drei Stationen, 320 Millionen Euro Kosten für den Steuerzahler – seit dem Wochenende pendelt die neue Berliner U-Bahn, die Linie U 55, zwischen den Haltestellen „Hauptbahnhof“ und „Brandenburger Tor“ über „Bundestag“. Fahrtzeit, um den unterirdischen Weg durch das Regierungsviertel zurückzulegen: drei Minuten, einfache Fahrt.

U 55 – das Kürzel steht für die mit 1,8 Kilometern kürzeste U-Bahn-Strecke Deutschlands. Kritiker nennen sie auch die „Stummellinie“. Denn noch haben die neuen Tunnelröhren, in denen Züge maximal auf 50 Stundenkilometer beschleunigen können, keine Verbindung zum restlichen U-Bahnnetz. Frühestens im Jahr 2017 soll das anders werden. Bis dahin soll die Strecke bis zum Alexanderplatz verlängert werden. Die Berliner Verkehrsbetriebe beziffern die Kosten für den geplanten Anschluss auf 433 Millionen Euro, die der Berliner Senat bereitstellen muss.

Der Bau des derzeit kurzen Weges hat lange gedauert. Seine Planung fiel in die Berlin-Euphorie der frühen Nachwendezeit, in der Architekten auch den riesigen gläsernen Hauptbahnhof entwarfen. Der ursprüngliche Bauher hieß Helmut Kohl (CDU) und war damals Bundeskanzler. Zur Jahrtausendwende hatte Berlin, in der Realität angekommen, den U-Bahn-Bau jedoch aus Geldnot gestoppt. Doch der Bund als Hauptfinanzier drückte die Fertigstellung mit einem Ultimatum durch: Entweder zahlt die Hauptstadt Millionen Euro Bundesgelder zurück – oder die U-Bahn fährt. Berlin buddelte verschreckt weiter.

Der Berliner Fahrgastverband Igeb kritisiert die hohen Kosten für die Buddelei. Das Geld hätte aus seiner Sicht in „wichtigere Projekte“ investiert werden müssen, zum Beispiel in den Ausbau des städtischen Straßenbahnnetzes. An weniger prominenter Stelle, so vermutet der Verband, wären die Arbeiten auch irgendwann eingestellt worden. Vor dem Reichstag aber liefen Abgeordnete und ihre Wähler jeden Tag am verriegelten „Geisterbahnhof“ Bundestag vorbei, der zuletzt nur für Opernaufführungen geöffnet wurde.

So gibt es sie nun, die Kanzler-U-Bahn. Bleibt die Frage, welcher Regierungsbeamte samt Chauffeur und Dienstwagen die U-Bahn nutzen wird. In der nächsten Zeit werden wohl eher Touristen in die gelben Waggons auf der U 55 einsteigen. Verkehrsexperten prognostizieren, dass am Tag rund 6.400 Menschen mit der neuen Berliner Linie fahren – das sind zu wenig für einen wirtschaftlichen Betrieb. MOA