Zivile Agent-Orange-Opfer fordern Genugtuung

CHEMIEINDUSTRIE Für die Folgen des Giftgaseinsatzes in Vietnam gibt es bis heute keine Entschädigung

BERLIN taz | Die Berliner Entwicklungshilfeorganisation Sodi will am heutigen Montag mit einer Unterschriftenaktion eine Entschädigung der Opfer des Giftgases Agent Orange fordern. Mit dem Pflanzengift hatte die US-Armee im Vietnamkrieg 1961 bis 1971 weite Teile Zentralvietnams besprüht, um den Regenwald zu entlauben und als Versteck unbrauchbar zu machen. Noch heute leiden zwischen 2 und 4,8 Millionen Vietnamesen unter den Spätfolgen. Viele von denen, die während des Krieges direkt mit dem Giftgas in Berührung kamen, sind schwer an Krebs erkrankt. Darüber hinaus schädigt Agent Orange aber auch das Erbgut, so dass in Vietnam noch heute zahlreiche Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt kommen.

Sodi hat angekündigt, vor dem Brandenburger Tor 20.000 Unterschriften an die amerikanischen Chemiefirmen Monsato und Dow Chemical übergeben. Diese hatten den Großteil des Giftes hergestellt. „Wir haben die Chemiefirmen eingeladen“, sagt Sodi-Sprecherin Sylvia Werther. Sie zweifelt allerdings, dass diese Vertreter schicken werden.

Bislang weigern sich die Unternehmen, die Agent-Orange-Opfer zu entschädigen. Seit 2004 hatte sich eine vietnamesische Opferorganisation bemüht, vor US-Gerichten per Zivilklage Schadenersatz zu erhalten. Im März dieses Jahres wies das Oberste Gericht in Washington die Klage in letzter Instanz ab. Begründung: Der kausale Zusammenhang zwischen den abgeworfenen Giften und den Schädigungen der Vietnamesen sei nicht zweifelsfrei erwiesen. Außerdem seien die Chemiefirmen nicht verantwortlich zu machen, weil sie die Gifte im Auftrag des US-Militärs hergestellt hatten. Eine Klage gegen die US-Regierung wegen Kriegsschäden wiederum schließt die US-Verfassung aus.

Dieselben Chemiefirmen hatten allerdings 1984 ehemaligen GIs, die das Gift transportiert hatten und ebenfalls erkrankt waren, in einem außergerichtlichen Vergleich 180 Millionen US-Dollar gezahlt. Ein formales Schuldeingeständnis war damit ausdrücklich nicht verbunden. 2006 verurteilte ein Gericht in Südkorea die Firmen zur Zahlung einer Entschädigung für erkrankte koreanische Soldaten, die den GIs militärische Hilfe geleistet hatten.

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton hatte Vietnam im Jahr 2000 staatliche Wiedergutmachung in Aussicht gestellt. Sein Nachfolger George W. Bush lehnte das jedoch ab. Barack Obama hat sich bislang nicht dazu geäußert. MARINA MAI