In Saudi-Arabien gilt Klimaschutz als staatsfeindlich

KLIMAGIPFEL Die Ölprinzen haben kein Interesse an einer Welt mit weniger fossiler Energie. Stattdessen pflegen sie ihre eigenen Ideen

■ Die UN-Klimaverhandlungen im mexikanischen Cancún sollten in der Freitagnacht (Ortszeit) zu Ende gehen. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe war nicht absehbar, ob sie noch verlängert würden. Nach Abschluss des Gipfels können Sie die Ergebnisse und erste Einschätzungen jedoch auf www.taz.de nachlesen.

CANCÚN taz | Ali Ibrahim al-Haimi nahm kein Blatt vor den Mund. Gleich zweimal drohte der Ölminister von Saudi-Arabien am Donnerstag (Ortszeit) auf der UN-Klimakonferenz in Cancún mit der Forderung nach Schadenersatz, sollte es ein effektives Klimaschutzabkommen geben. „Entwicklungsländer wie wir“, so der Minister, müssten Kompensationen bekommen. Das war kein Ausrutscher. Al-Haimis Unterhändler hatten einen Text eingebracht, der die angebliche Opferrolle der Ölstaaten festschreiben sollte. Die Staaten sollten anerkennen, dass Klimaschutz „negative wirtschaftliche und soziale Konsequenzen haben kann, besonders für Entwicklungsländer, die von der Ölproduktion abhängig sind“.

Seit Jahrzehnten gehören die Ölprinzen zu den Bremsern: Sie stellen die Forschung zum Klimawandel infrage, agitieren die anderen Entwicklungsländer und „verschwenden Zeit durch das Einbringen sinnloser Texte“, schreibt der Wissenschaftler Jon Barnett in einer Analyse über die Opec und den Klimaschutz.

Dem Kioto-Abkommen seien die Saudis nur beigetreten, um echten Klimaschutz zu verhindern, heißt es in einer Studie des finnischen Instituts für internationale Angelegenheiten. Die Eigentümer der weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven, die den zehntgrößten Pro-Kopf-Ausstoß von Kohlendioxid verantworten, haben allen Grund, am Ölboom festzuhalten. Wird das Barrel um 10 Dollar teurer, hebt sich das Bruttoinlandsprodukt des Königreichs um 14 Prozent. Gleichzeitig aber sinkt es um 1,4 Prozent in Indien, das Öl importiert. So schädigt die Blockadehaltung der Saudis ihre Alliierten in der Gruppe der Entwicklungsländer doppelt, so Barnett.

Trotzdem hat sie Erfolg: „Man muss die berechtigten Interessen der jeweiligen Länder anerkennen“, sagt der frühere Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer. Volkswirtschaften, die einseitig auf den Export fossiler Brennstoffe ausgerichtet sind, könnten nicht einfach die Ölhähne schließen. Für das autokratische saudische Regime geht es dabei um eine „Überlebensfrage“; nur mit dem Ölgeld lässt sich das Regime der Dynastie Saud aufrechterhalten, heißt es im Bericht des finnischen Instituts.

Trotz ihres Reichtums betrachten sich viele Ölstaaten als Entwicklungsländer „Wir sind reich, aber wir sind nicht entwickelt“, sagt etwa El Walid Hamad El Malik von der Umweltverwaltung der Vereinigten Arabischen Emirate. So wollen die Saudis und ihre Nachbarn auch gern von den Mechanismen des ansonsten verhassten Kioto-Protokolls profitieren: Ganz besonders macht sich Ölminister al-Haimi stark dafür, die Verpressung des Treibhausgases CO2 in den Untergrund endlich in den Clean Development Mechanism des Kioto-Protokolls aufzunehmen. Klimaschützer laufen Sturm gegen diese Idee, mit der Emissionsreduzierungen in armen Staaten mit Technik und Kapital aus den reichen ermöglicht werden sollen. Im Fall Saudi-Arabien ist die Vorsicht berechtigt. Das Land würde das CO2 gern, finanziert vom Norden, in der Erde versenken – um durch den daraus entstehenden Druck seine langsam erschlaffenden Öl- und Gasquellen besser zum Sprudeln zu bringen. BERNHARD PÖTTER