Jesuit erschließt Geldquelle

STEUERN Das Finanzministerium will Devisengeschäfte erstmals nennenswert besteuern. Das liegt daran, dass die Regierung Geld braucht – und an Pater Jörg Alt

Selten entfaltet eine Kampagne in so kurzer Zeit diese politische Kraft

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Der Montag, das wird Jörg Alts Tag. Es ist Monate her, dass man von dem 49-jährigen Jesuitenpater und Kämpfer für eine „Steuer gegen Armut“ etwas gehört hat. Am Montag aber werden die Fernsehleute ihre Kameras auf ihn richten: Dann muss sich der Petitionsausschuss des Bundestages mit seinem Anliegen beschäftigen. Alt hat die erste Etappe geschafft, die Regierung steht unter Druck und: Sie bewegt sich.

Alles begann mit dem Satz: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen.“ Als Alt diese Petition im November 2009 einreichte, hielt ihn mancher für übergeschnappt. Eine schwarz-gelbe Regierung? Eine Steuer auf Bankgeschäfte? Undenkbar!

30 Milliarden pro Jahr

Doch Alt kann nerven, wenn es sein muss, und immer wieder erklären: Die Steuer macht kurzfristige Spekulation unrentabel, behindert langfristige Anlagen nicht. Kleinsparer trifft sie kaum: Bei einer 0,05-Prozent-Steuer auf den Kauf von Wertpapieren, Devisen und Derivaten würde ein Riester-Sparer – 30.000 Euro brutto Jahresverdienst, Sparbetrag 1.200 Euro pro Jahr, 20 Jahre lang – insgesamt mit 74 Euro belastet, wenn ein Drittel des Rentenfondsvermögens jährlich umgeschichtet wird. Der Staat bekäme pro Jahr bis zu 30 Milliarden.

Damit der Petitionsausschuss die Idee nicht einfach links liegen lassen kann, brauchte der Pater 50.000 Unterschriften. Alt bekam mehr als 60.000. Er kann Kampagne, hat von der Steuer gegen Armut 72 Organisationen überzeugt. Darunter selbst Banker wie die von der GLS-Bank. Aber auch Parteien: die SPD, die Grünen und die Linke. Ein einzelner CSU-Politiker ist auch dabei. Selten entfaltete eine Kampagne so schnell so viel Kraft. Zwar werden die schwarz-gelben Abgeordneten die Petition vermutlich abschmettern. Dennoch hat sich etwas getan. Wer bei der Opposition nachfragt, hört: „Es gibt eine realistische Chance“ (Carsten Sieling, SPD). „CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble hat eine Arbeitsgruppe in der Steuerabteilung und nicht etwa in der Grundsatzabteilung eingerichtet – die Steuer ist denkbar“ (Axel Troost, Linke). „Sie sind ernsthaft dran. Zumal: Jedes Land braucht Geld.“ (Gerhard Schick, Grüne).

Die Regierung erklärt seit langem, Banken, Versicherer, Spekulanten „angemessen“ an den Kosten der Finanzkrise beteiligen zu wollen. Und im schwarz-gelben Sparpaket für 2012 sind Einnahmen aus einer Finanzsteuer in Höhe von 2 Milliarden Euro veranschlagt. Dabei blieb es dann lange. Der öffentliche, der finanzielle, der politische Druck nahmen jedoch zu. Griechenland, Irland mussten gerettet werden. So haben Schäubles Fachleute im Dezember erstmals Branchenvertreter geladen, im Februar soll bereits das dritte Treffen stattfinden. Im Gespräch ist ein Steuersatz von 0,01 Prozent auf alle Finanzprodukte. Schäuble Sprecher Tobias Romeis will das auf taz-Anfrage nicht bestätigen: „Steuersätze waren noch kein Thema.“ Doch schon mit diesem Minisatz könnten bis zu 12 Milliarden Euro pro Jahr zusammenkommen. Vorausgesetzt, das Geschäft wandert nicht ab, etwa an den Finanzplatz London. Romeis: „Am besten zögen alle Länder mit.“

Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die G 20, können sich jedoch nicht einigen. Zwar hat Nicolas Sarkozy, der französische Präsident, derzeit den Vorsitz, und er will die Steuer. Kanada aber sperrt sich.

Zur Not die Miniversion

Die FTD meldete am Freitag, notfalls solle mit zwei oder drei Eurostaaten begonnen werden. Laut äußerte sich dazu aber niemand. Die Regierung drängt offiziell darauf, zumindest eine EU-weite Lösung zu finden. Da tun sich die Britten bisher schwer. Der Finanzausschuss des Bundestages reist Ende März nach London. Schäubles Beamte führen Gespräche. Eine Hoffnung: Da Großbritannien hoch verschuldet ist, lenkt die Regierung ein. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing, erklärte am Freitag, die Liberalen seien bereit, die Steuer auf EU-Ebene mitzutragen. Daran war vor anderthalb Jahren auch noch nicht zu denken.