Weniger Weichmacher fürs Baby

GIFTE Die Bundesregierung hat nach Vorgabe der EU die Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen für Kleinkinder verboten. Das reicht nicht aus, um Kinder und Schwangere zu schützen, sagen Experten

Die Industrie hatte kaum noch belastete Babyfläschchen angeboten

BERLIN taz | Der Weichmacher Bisphenol A ist in Babyfläschchen in Deutschland künftig verboten. Das Verbot gelte ab dem 1. März, teilte das Bundesverbraucherministerium gestern mit. Nach einer Übergangszeit von drei Monaten dürfen dann keine Flaschen mehr verkauft werden, die die Chemikalie enthalten. Damit setzt Ministerin Ilse Aigner (CSU) eine Vorgabe der EU-Kommission um. „Gesundheitliche Nachteile“ durch Bisphenol A (BPA) seien nicht zu befürchten, so das Ministerium, es handele sich um einen Akt „vorbeugenden Verbraucherschutzes“.

BPA wird in vielen Produkten eingesetzt, weil es Kunststoffe sowohl geschmeidig als auch stabil macht. Gummienten, Brillengläser, Helmvisiere, Bierdosen und Thermokassenzettel – alle enthalten den hormonähnlichen Wirkstoff.

Mediziner streiten schon länger darüber, wie schädlich der omnipräsente Weichmacher – jährlich werden davon zwei bis drei Millionen Tonnen hergestellt – wirklich ist. Die Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatten im vergangenen Herbst festgestellt, dass sich gesundheitliche Probleme durch BPA nicht überzeugend nachweisen ließen. Gilbert Schönfelder von der Berliner Charité sieht das anders. „Natürlich sind wir auf die Erkenntnisse aus Tierversuchen angewiesen“, sagt der Professor am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie. Man könne ja schlecht Menschen BPA verabreichen und schauen, ob sie Krebs bekämen.

Die tierexperimentellen Erkenntnisse seien „inzwischen aber sehr überzeugend“, so der Forscher, der sich intensiv mit Bisphenol A befasst. Sicher sei, dass der Weichmacher bei Nagetieren auf das Wachstum der Brustdrüsen und der Prostata einwirke und das Nestbauverhalten verändere. „Außerdem greift die Substanz in den Blutzucker- und den Fettstoffwechsel ein und führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ All diese Erkenntnisse seien „Grund genug zu sagen, dass diese Substanz gefährlich ist“, so Schönfelder. Das Verbot war schon lange nötig, sagt auch Alexandra Caterbow von der Organisation Women in Europe for a Common Future (WECF). Wenn das Ministerium es ernst meine mit dem Schutz von Kindern und Schwangeren, müsse der Stoff in noch viel mehr Produkten verboten werden. Ganz oben auf Caterbows Liste: Kassenzettel und Trinkwasserleitungen, die oft mit Bisphenol-A-haltigen Kunststoffen ausgekleidet seien.

Nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums erwägt die Regierung, Bisphenol A für die Kandidatenliste im europäischen Chemikalienregistrierungsprozess Reach vorzuschlagen. Wenn der Weichmacher auf dieser Liste besonders gefährlicher Stoffe landete, könnte er verboten werden. Derzeit arbeiten das Umweltbundesamt und das Bundesinstitut für Risikobewertung an einer entsprechenden Stellungnahme.

Mediziner streiten darüber, wir schädlich der omnipräsente Weichmacher ist

Frankreich und Dänemark hatten BPA schon vor Brüssel in Babyflaschen und Nuckeln verboten und damit die Debatte auf EU-Ebene entfacht. Die Industrie hatte auf die Befürchtungen der Verbraucher schon länger reagiert: Es werden kaum noch Fläschchen angeboten, die BPA enthalten. Verbraucherministerin Aigner hingegen habe „die Gefahren von Bisphenol A bis heute immer heruntergespielt und auf der Bremse gestanden“, kritisiert Nicole Maisch, Grünen-Sprecherin für Verbraucherpolitik im Bundestag.

HEIKE HOLDINGHAUSEN