Knappe Kassen

GELD Alle müssen knausern: Europa braucht den Rettungsschirm, der Bürger seine Rente. Aber wie funktioniert das eigentlich – Sparen? Vier Antworten von Leuten, die es wissen müssen

„Wir leisten Vorsorge für Engpässe. Wie fast alle Säugetiere“

GERT GUTJAHR, MARKTPSYCHOLOGE

VON TIMO KATHER

Bedürftig im Bundestag

Petra Merkel ist, wenn man denn so will, die oberste Haushälterin der Republik. Sie selbst hört das nicht besonders gern. Die 63-jährige SPD-Politikerin ist die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags. Gemeinsam mit ihren Kollegen prüft und überarbeitet sie den jährlichen Haushaltsentwurf der Bundesregierung. Und die muss sparen, klar: Die Bankenrettung, die Eurokrise, all das kostet Abermilliarden. Doch ans Sparen, so sagt Petra Merkel, sei momentan noch überhaupt nicht zu denken: „Wir sparen nicht. Denn das würde ja bedeuten, wir hätten was und würden es zurücklegen. Wir kürzen. Und das ist noch viel schlimmer.“

Deutschland macht immer noch hohe Schulden – und das bei wachsenden Steuereinnahmen. Mit Blick auf die Wähler fordert so mancher Politiker Steuersenkungen. Merkel ist dagegen. Sie will lieber die Neuverschuldung senken. „Wir sehen zu, die Ausgaben so gering und so effektiv wie möglich zu gestalten, um nicht noch mehr Schulden zu machen“, sagt sie. „Wir durchforsten jeden Posten im Haushalt, immer mit der Frage im Hinterkopf: Sind die Ausgaben sinnvoll oder kann man Gelder abziehen, umschichten oder gar die Schulden reduzieren?“

Reduzieren, das wäre ziemlich angemessen: Die Schulden der Bundesrepublik liegen bei mehr als 1.972 Milliarden Euro, und pro Sekunde wachsen sie um 2.279 Euro.

Einmal war es beinahe so weit, vor knapp drei Jahren: Die Neuverschuldung hätte auf null reduziert werden können. Der Haushalt hätte stabilisiert werden können. Ganz ohne neue Kredite. „Dann kam die Finanzmarktkrise, und dann war die Welt wieder eine andere“, sagt Merkel. Eine Welt voller neuer Schulden, neuer Kredite. Merkel sieht es fatalistisch: „In gewissen Situationen muss man jeden Cent dreimal umdrehen, aufpassen, wofür man was ausgibt und wofür nicht. Und manchmal muss man dann auch sagen: Das kann ich mir nicht leisten. Das gilt sowohl im Kleinen wie im großen Ganzen.“

„Die beste Geldanlage ist immer noch die eigene Immobilie“

OLIVER MEST, FINANZRATGEBER
Die Spießer-Methode

Sparen im Haushalt ist keine Kunst. Sondern ein Handwerk, das erlernt werden kann. Das behauptet zumindest Angela Schmid vom Deutschen Hausfrauen-Bund. Ihr Hilfsmittel Nummer eins: der schnöde Haushaltsplan. Spießig, ja. Aber nützlich.

„Nur wenige Leute bekommen ihren Haushalt ohne einen Haushaltsplan in den Griff“, sagt Angela Schmid. Sie empfiehlt darum schlicht, einen Monat lang Rechnungen zu sammeln, Ausgaben zu addieren und dann mit der Familie zu überlegen, wo man sparen kann. Auf dieser Basis kann das Budget für den nächsten Monat festgelegt werden. Ebenfalls hilfreich: nur gezielt einkaufen zu gehen, sich nicht von Supersonderangeboten blenden zu lassen und nur das mitzunehmen, was man auch tatsächlich braucht. Besonders bei Lebensmitteln.

„Wenn Sie falsch – und vor allem zu viel – einkaufen, verschimmelt am Ende die Hälfte, und das Geld ist zum Fenster hinausgeworfen“, sagt Schmid. Sie verspricht ein „Riesen-Aha-Erlebnis“, wenn man sich regelmäßig vergegenwärtigt, wie viel am Ende in der Mülltonne landet. Allein bei Lebensmitteln könnten mit einem Haushaltsplan locker zwanzig bis fünfzig Prozent der Ausgaben gespart werden, ist sich Schmid sicher. Allerdings muss dafür das Kaufverhalten dauerhaft umgestellt werden. Bei der Schnäppchenjagd sollte man immer den Aufwand im Auge behalten, der dafür betrieben werden muss: „Wenn Sie mit dem Auto durch die halbe Stadt fahren, um ein günstiges Angebot abzugreifen, ist das weder effektiv noch nachhaltig. Es kommt immer darauf an, was man sparen will: Zeit oder Geld. Da muss man Prioritäten setzen. Und die sind in jedem Haushalt unterschiedlich.“

Emotion im Eigenheim

„Wenige kriegen ihren Haushalt ohne Haushaltsplan in den Griff“

ANGELA SCHMID, HAUSFRAUEN-BUND

Eine lockere Einstellung zum Geld muss man sich erst mal leisten können – und viele, vor allem Familien, können das nicht. Gleichzeitig wird der Druck größer, früh mit dem Sparen anzufangen und das Geld anzulegen, das am Monatsende liegen bleibt. Oliver Mest hat mehrere Bücher über das Sparen geschrieben, er weiß, dass Laien die Angebote der Banken selten verstehen. Und dass sie auf fachmännischen Rat angewiesen sind. „Die richtige Sparlösung“, sagt Oliver Mest, „ist immer Folge einer Beratung, die auf die persönliche Situation des Sparers zugeschnitten ist.“

Richtig Spaß macht das Anlagesparen sowieso erst, wenn denn auch genug Geld da ist. Weiß auch Mest: „Wenn ich viel Geld habe, habe ich natürlich auch eine größere Auswahl. Da geht es dann um Fragen wie: Welche Rendite möchte ich haben? Wie wichtig ist mir die Sicherheit der Anlage?“ In jungen Jahren, mit niedrigem oder durchschnittlichem Einkommen, gehe es hingegen nur darum, überhaupt zu sparen: „Da hat man noch viele Jahre vor sich, kann Zins und Zinseszins über einen langen Zeitraum mitnehmen.“ Außerdem solle man sich selbst ein bisschen zum Sparen zwingen – und zwischendurch nicht aussetzen: „Zu sagen, ich lege jeden Monat fünfzig Euro beiseite, klappt nur selten. Man sollte ein Konto eröffnen, das man nicht ohne Weiteres plündern kann. Oder eine Riester-Rente abschließen, um staatliche Zulagen zu kriegen.“

Was die beste Geldanlage ist? Immer noch die eigene Immobilie, findet Mest. „Das ist nicht nur ein Werbespruch: Die sicherste Investition ist die in die eigenen vier Wände.“ Möglichst in einer Lage, die auch andere Leute interessant finden. Damit man Wohnung oder Haus vermieten oder verkaufen kann, wenn man wegzieht. Und das Schönste am Eigenheim oder an der Eigentumswohnung: „Ich stecke das Geld niemandem in den Hals, sondern habe selbst was davon. Das ist eine emotionale Rendite, die bei keiner anderen Anlage drin ist.“

Das Eichhörnchen-Motiv

„Wir sparen nicht – das würde bedeuten, wir hätten was“

PETRA MERKEL, HAUSHALTSPOLITIKERIN

Die Sparsamkeit ist keine Erfindung der Neuzeit. Eine ausgefallene Ernte, eine verendete Kuh – schon hatte der Mensch ein Problem, der zum Überleben auf Getreide und Milch angewiesen war. Die Vorsorge ist vielmehr ein „evolutionär vernünftiges Verhalten, das im Gehirn genetisch angelegt ist.“ So sagt das Gert Gutjahr, Chef des Instituts für Marktpsychologie Mannheim. „Wir leisten Vorsorge für Notfälle und Engpässe, für existenzielle Gefährdungen. Übrigens zeigen fast alle Säugetiere dieses Vorsorgeverhalten, es ist gewissermaßen das Eichhörnchen-Motiv.“

Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Sparsamsein eine positive, oft auch bitter nötige Tugend. Fast jede Familie kennt die knauserige Erbtante, die abgefallene Hosenknöpfe in einer Schatulle sammelt oder alte Stoffreste aufhebt. „Das Sparen hat etwas sehr Biologisch-Triebhaftes an sich“, meint Gutjahr, „den Sparern ist jede Verschwendung fremd. Es schmerzt sie, etwas wegzuwerfen. Es wird nur gekauft, was unbedingt notwendig ist, um möglichst viele Mittel zurückzuhalten, die man morgen vielleicht braucht.“

Diese intrinsische Sparmotivation hat durch die Entwicklung zur Überflussgesellschaft stark abgenommen – das soziale Leitbild des Sparers wurde durch das des Smartshoppers ersetzt. Der will zwar auch preiswert einkaufen, legt aber viel Wert auf die Qualität der Ware. Oder auf die Marke, die als Qualitätsgarantie fungiert. Wenn das begehrte Produkt günstig ergattert wird, ist die Freude über das Schnäppchen groß: „Sparen kann wahnsinnig glücklich machen. Kein Mensch will für etwas mehr Geld ausgeben als nötig“, sagt Gutjahr, „und wenn er das tut, ist die Motivation eine andere: die, mit Statussymbolen protzen zu wollen.“