Antibiotika-Einsatz bei Masthähnchen: Nur kleine Betriebe verzichten

Rund 80 Prozent der Masthähnchen aus NRW bekommen Antibiotika, sagt die zuständige Landesbehörde. Allerdings nicht als Medikament, sondern als Dopingmittel.

Mit Gewichts- und Preisangabe, aber ohne Antibiotika-Kennzeichnung: in Plastiktüten verpackte Masthähnchen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die meisten Masthähnchen bekommen Antibiotika. Rund 80 Prozent der Tiere in gut 180 untersuchten Betrieben hätten nach einer "bundesweit übertragbaren" Studie des nordrhein-westfälischen Landesamts für Verbraucherschutz die Medikamente im Futter gehabt, hieß es am Freitag in Verbraucherschutzkreisen.

Die Ergebnisse legten nahe, dass Antibiotika als Wachstumsdoping benutzt werden. Dabei erhöht der Einsatz bei Tieren laut der Europäischen Lebensmittelbehörde die Gefahr, dass diese wichtigen Medikamente bei Menschen nicht mehr wirken.

Schon jetzt sterben in der EU der Weltgesundheitsorganisation zufolge jährlich 25.000 Patienten an Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien. Weil Landwirte zusehends mehr Tiere auf engem Raum halten, werden dort Mutationen der Erreger und damit von Antibiotikaresistenzen wahrscheinlicher. Die Keime gelangen beispielsweise über Fleischprodukte in den menschlichen Körper.

Diese Gefahr nimmt die Geflügelindustrie offenbar in Kauf, um Geld zu sparen: Denn nach der Studie aus Nordrhein-Westfalen gaben die Mäster die Antibiotika im Untersuchungszeitraum von Februar bis Juni 2011 in etwa der Hälfte der Fälle nur jeweils ein bis zwei Tage lang. Um wirklich Krankheiten zu bekämpfen, seien aber meist fünf bis sechs Tage nötig.

"Skandal ungeahnten Ausmaßes"

Zudem hätten manche Mäster gleich acht verschiedene Präparate benutzt, was deren Nachweisbarkeit verringert. "Das sind Indizien dafür, dass die Mittel als Wachstumsförderer benutzt werden, was aber verboten ist", hieß es. Je mehr Gewicht die Masthähnchen auf die Waage bringen, desto teurer lassen sie sich verkaufen.

In ungefähr 17 Prozent der ausgewerteten Mastdurchgänge kamen die Landwirte den Angaben zufolge aber ohne Antibiotika aus. Darunter seien kleine Betriebe mit weniger als 20.000 Tieren, die meist 45 Tage lang gemästet werden. Das sind vor allem Biohöfe, denn in der konventionellen Haltung sind circa 35 Tage üblich.

Zwar untersuchten die Autoren nur 35 Prozent der Hähnchenmastbetriebe in NRW. Aber dazu gehörten den Informationen zufolge Unternehmen mit einer großen Spannbreite von 3.400 bis 170.000 Tieren in elf Landkreisen.

Die beteiligten Behörden in Nordrhein-Westfalen wollten die Angaben zur Studie, über die zuerst der Radiosender NDR Info berichtet hatte, weder bestätigen noch dementieren. Für Martin Häusling, Agrarsprecher der Grünen im EU-Parlament, zeigen die Zahlen "einen Skandal ungeahnten Ausmaßes". Er forderte mehr Kontrollen. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft wies den Vorwurf des Dopings mit Antibiotika als "schlicht nicht wahr" zurück. Die Branche werde jetzt selbst erfassen, wie viel der Medikamente sie verbrauche.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.