Chemiker über Biolebensmittel: "Ein System ohne Betrug gibt es nicht"

Ein Gespräch mit dem Forscher Johannes Kahl über den chemischen Fingerabdruck von Biolebensmitteln, Zertifikate und falsch deklarierte Ware.

Auch in diesen Zitronen befinden sich Elemente und Moleküle mit deren Hilfe sich chemisch ein eindeutiges Herkunftsmuster ermitteln lässt. Bild: dpa

taz: Herr Kahl, Sie forschen an einem Fingerabdruck, der Aufschluss über die Herkunft von Biolebensmitteln geben soll. Was unterscheidet denn eine spanische von einer niederländischen Biotomate?

Johannes Kahl: Die Unterschiede liegen zum Beispiel darin, dass sie in unterschiedlichen Böden gewachsen sind und unterschiedliche klimatische Verhältnisse hatten.

Und wie wollen Sie das später erkennen?

Der Boden und auch die klimatischen Bedingungen wirken sich auf bestimmte chemische und physikalische Eigenschaften der Tomate aus. Denn was in der Erde ist, das nimmt eine Pflanze auch auf und verarbeitet es. Die einzelnen Stoffe in einer Pflanze haben daher Eigenschaften des Bodens in sich.

Man muss also den Boden kennen.

Genau. Aber es gibt natürlich noch andere Wege. Zum Beispiel kann man nach den Elementen in der Pflanze gucken, also Kalium, Kalzium und Magnesium. Deren Menge und Verteilung in der Pflanze hängt auch davon ab, wie sie gewachsen ist. Und dann geben noch die Moleküle, also Säure, Proteine oder Eiweiße, Hinweise auf die Herkunft. Da versuchen wir, Muster herauszufinden, und diese Muster sind letztlich der Fingerabdruck.

43, ist Chemiker und forscht an der Uni Kassel. Er habilitierte sich im Bereich Ökolebensmittelqualität.

Das klingt aufwendig, ist es das?

Nein. In den letzten 20, 30 Jahren hat sich unheimlich viel getan wenn es darum geht, Lebensmittel zu analysieren. Wir können viel mehr in viel kürzerer Zeit messen als früher. Daher kann so eine Analyse Sache von Stunden sein.

Kann der Verbraucher dann sicher nachvollziehen, woher seine Einkäufe stammen?

Also, dass man dem Verbraucher ein kleines Gerät an die Hand gibt, mit dem er die Analyse selbst machen kann, das halte ich derzeit für Utopie.

An welcher Stelle der Handelskette soll dann der Fingerabdruck helfen, die Herkunft zu bestimmen?

Beim Zertifizierer. Biolebensmittel brauchen schließlich eine Zertifizierung, bei der die Dokumente geprüft werden. Also wo die Rohware eingekauft wird, wo das Futter herkommt, ob noch Zusatzstoffe verarbeitet wurden, wie die Tierhaltung ist.

Im Fall der fälschlich als Bioware deklarierten Lebensmitteln aus Italien war aber genau der Zertifizierer das Problem - Mitarbeiter sollen korrupt gewesen sein.

Ein System ohne Betrug gibt es nicht. Wenn jemand lügen und betrügen will, dann findet er immer einen Weg, Regeln und Kontrollen zu umgehen.

In welchem Fall würde die Methode denn helfen?

Die Idee des Fingerabdrucks setzt da ein, wo es beispielsweise einen Verdacht gibt. Wenn zum Beispiel die Dokumente des Erzeugers oder Händlers nicht eindeutig sind. Oder man macht - zum Beispiel bei Unternehmen die neu dabei sind - kontinuierliche Kontrollen und schickt einfach jede zweite Probe ein.

Das wird dann teuer.

Genau. Da ist es wirtschaftlicher, nur die Verdachtsfälle zu messen.

Was wird so ein Test kosten?

Genau können wir das noch nicht sagen, das Forschungsprojekt endet erst 2014, aber das wird je nach Aufwand, also was wir da messen müssen, sehr unterschiedlich sein.

Ist die Methode nur für den Biobereich interessant?

Nein, auch im konventionellen Bereich will man manchmal genau wissen, wo die Sachen herkommen. Zum Beispiel wenn es um Produkte aus der Region geht. Oder bei gepanschtem Olivenöl. Betrug soll mit dem Fingerabdruck leichter erkannt werden.

Welche Schwierigkeiten erwarten Sie?

Das Schwierigste wird sein, den Einfluss von Öko trotz unterschiedlicher Herkunft zu erkennen. Mal schauen, wie wir das umsetzen.

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