Polen wollen Klima in der EU vergiften

UMWELT Warschau droht vor EU-Ministerrat mit Veto gegen jede Verschärfung der Klimaauflagen

BRÜSSEL taz | Polen macht Ärger: Beim heutigen Umweltrat in Brüssel rechnen Diplomaten und Nichtregierungsorganisationen mit einer heftigen Auseinandersetzung vor allem zwischen Warschau und Berlin. Die Minister wollen über die Energiestrategie der Europäischen Union bis 2050 entscheiden. Deutschland und andere EU-Staaten wie Belgien und Großbritannien wollen das Einsparziel von Treibhausemissionen von 20 auf 30 Prozent erhöhen. Das lehnt Polen rigoros ab.

Der polnische Umweltminister Marcin Korolec hat in einem Brief, der der taz vorliegt, gefordert, die gesamte EU-Klimapolitik zu überdenken und wirtschaftsfreundlicher zu gestalten. Er wendet sich darin auch gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Zertifikate im Emissionshandel für die Unternehmen teurer zu machen.

„Die Polen wollen den Fortschritt im Klimaschutz blockieren. Allerdings haben sie Angst, isoliert zu werden“, sagt Oldag Caspar von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Bereits im Juni 2011 hatten die Polen den Fahrplan für mehr Klimaschutz blockiert. Die Nettozahler in der Europäischen Union, zu denen auch Deutschland gehört, haben allerdings ein Druckmittel in der Tasche: Die Polen sind auf die Zahlungen aus den EU-Strukturfonds angewiesen. Sie befürchten – sollten sie die von Deutschland geforderten Klimaziele blockieren –, dass Berlin wiederum bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen den Daumen auf den Auszahlungstopf hält. Deshalb versuchte Warschau bereits im Vorfeld, die übrigen EU-Länder von ihrer Position zu überzeugen.

Nichtregierungsorganisationen fordern, dass Deutschland einen Sonderbeauftragten mit den Verhandlungen mit Polen beauftragt. „Nur wenn Berlin im Tausch etwas bietet, kann ein Kompromiss zustande kommen. Die Polen können nicht mit einer Niederlage nach Hause fahren“, sagt Oldag Caspar.

Um heute eine offene Auseinandersetzung zu vermeiden, könnte die dänische EU-Ratspräsidentschaft den Tagesordnungspunkt allerdings auch überspringen und gar nicht abstimmen lassen. Das würde vermutlich bedeuten, dass die Staats- und Regierungschefs beim nächsten regulären EU-Gipfel im Juni darüber entscheiden müssten. RUTH REICHSTEIN