Windparks statt Wale

UMWELT Der Verkehrsminister will wegen der Energiewende weniger Naturschutz. Ein Ablenkungsmanöver, sagen Kritiker

VON SVENJA BERGT

BERLIN taz | Nach Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) fordert nun auch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), wegen der Energiewende Umweltauflagen auszusetzen. „Es kann nicht sein, dass Windparks auf hoher See nicht gebaut werden können, weil das Einrammen der Windkraftanlagen bestimmte Arten von Walen stören würde“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Es sei „kontraproduktiv, wenn man für den Bau von Stromleitungen im Zuge der Energiewende auch noch ökologische Ausgleichsflächen schaffen muss“.

„Das ist das übliche Spiel“, ärgert sich Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds Nabu. „Ein einfaches Ablenkungsmanöver, weil sie selbst die Energiewende nicht hinbekommen.“ Ein einziger Offshore-Windpark sei bislang aus Naturschutzgründen nicht gebaut worden. „Die Windparks sind nicht durch die Schweinswale gefährdet, sondern durch fehlende Finanzierung.“ Darüber hinaus gebe es bereits Vorrangflächen für Windparks vor der Küste. Schweinswale gelten laut der Roten Liste als gefährdet. Nach der letzten Schätzung von 2005 geht der WWF in der Nordsee von einem Bestand von rund 230.000, in der östlichen Ostsee von weniger als 600 Tieren aus.

Widerspruch gibt es auch vom Bundesamt für Naturschutz: „Das Naturschutzrecht verhindert weder den Netzausbau noch die Energiewende“, teilte das Amt mit. Im Gegenteil sei die Berücksichtigung von Naturschutzinteressen eine der Voraussetzungen, damit die Energiewende von der Bevölkerung akzeptiert werde. Abgesehen davon müsse eine – auch zeitweise – Aussetzung auf europäischer Ebene passieren, das sei unrealistisch.

Auch das Umweltbundesamt (UBA) ist skeptisch: „Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass ökologische Ausgleichsmaßnahmen in irgendeiner Weise die Energiewende beeinträchtigen“, sagt Sprecher Stephan Haufe.

Das Bundesumweltministerium (BMU) störte sich bereits an Röslers Aussagen. Er hatte gefordert, die Fauna-Flora-Habitat- und die Vogelschutzrichtlinie zu umgehen, wenn sie den Bau neuer Stromtrassen verzögerten. „Eine gute Planung vorausgesetzt, weisen die europäischen Richtlinien eine ausreichende Flexibilität auf, um die Interessen von Netzausbau und Naturschutz ausgleichen zu können“, sagte ein Sprecher.

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