„Wir Mongolen haben Glück“

ROHSTOFFE Durch den Bergbauboom strömt Geld in das ostasiatische Land. Vor allem die Armen erwarten von der neuen Regierung, dass der Reichtum gerecht verteilt wird

■ Bei den Parlamentswahlen treten am Donnerstag 13 Parteien an. Die wichtigsten sind die sozialdemokratische Mongolische Volkspartei (MVP) von Ministerpräsident Sukhbaatar Batbold und die wirtschaftsnahe Demokratische Partei (DP) von Präsident Tsakhia Elbegdorj. Bis Januar bildeten MVP und DP eine Koalition. (ng)

AUS ULAN-BATOR NICOLE GRAAF

Ochirbat Tsendsuren steht mit einem Spachtel in der Hand zwischen roten Backsteinen, Schubkarren und Eimern mit Mörtel. Über der Baustelle am Rand der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator hat er die blau-rot-weiße Flagge der Demokratischen Partei aufgehängt. Logisch, dass er bei der Wahl am Donnerstag für sie stimmt. „Die Demokratie hat uns Freiheit gebracht“, sagt er und wirkt stolz.

Viel erwartet der 40-Jährige nicht von der neuen Regierung: „Nur, dass sie ihre Versprechen hält und den großen Graben zwischen Arm und Reich schließt.“ Das wünschen sich viele, vor allem in den Jurtenvierteln, wo die Armen von Ulan-Bator wohnen. Kleine Backsteinhäuser und Jurten ducken sich hier hinter Holzzäunen, die Wege sind voller Schlammlöcher.

Im wenig entfernten Zentrum wird die Schere zwischen Arm und Reich deutlich. Nahe des Sukhbaatar-Platzes, wo Dschingis Khan überlebensgroß in Bronze vor dem Regierungsgebäude thront, wird gebaut, in gläsernen Hochhäuser haben sich bereits Edelboutiquen von Luis Vuitton und Zegna eingerichtet. Dort gehen die Mongolen einkaufen, die der wilde Kapitalismus der 90er Jahre reich gemacht hat.

Ein paar hundert Meter weiter ist der Sitz von Oyu Tolgoi, einem Joint Venture des mongolischen Staates mit der kanadischen Bergbaufirma Ivanhoe. Es betreibt Kupfer- und Goldminen im Süden der Wüste Gobi, ein 6-Milliarden-Dollar-Projekt. In der Nähe liegt die Kohlemine Tavan Tolgoi mit geschätzt 5 Milliarden Tonnen feinster Kokskohle. Vor allem diese beiden Abbaustätten befeuern das große Wirtschaftswachstum von zuletzt 17 Prozent.

Der Bergbau entscheidet über die Zukunft der Mongolei. Er gilt derzeit als wichtigster Wirtschaftszweig, nicht mehr die traditionelle Nomadenwirtschaft. Internationale Investoren haben den Rohstoffreichtum der Mongolei entdeckt – und stehen Schlange für Lizenzen.

Nahe Tsendsurens Baustelle wohnt Gonchig Erdene. Auch die 56-jährige Rentnerin wohnt in einer Jurte. Aber sie ist zufrieden, wie ihre Regierung den Bergbauboom managt. „Jeder soll eine Million Tugrik bekommen“, sagt sie – 600 Euro. „Das Geld kommt aus dem Bergbau. Die Hälfte haben wir schon von der Regierung erhalten.“

Internationale Investoren haben den Rohstoffreichtum der Mongolei entdeckt

Dennoch gibt sie zu: Wenn ihre Tochter nicht in Tschechien arbeiten und Geld schicken würde, könnte sie kaum über die Runden kommen. 230 Euro haben sie und ihr Mann im Monat zusammen. Der Sohn, der als Wachmann arbeitet, steuert weitere 120 Euro bei. Davon leben sie zu fünft mit zwei Enkeln. „Alles ist so teuer geworden, wir hoffen, dass die Preise nicht noch mehr steigen“, sagte Erdene. Mehr als das Wirtschaftswachstum spüren die Mongolen die noch höhere Inflation – 18 Prozent jährlich.

„Einfach Geld zu verteilen ist falsch“, sagt Phuntsag Zolzaya. „Das machen sie nur wegen der Wahlen. Ist doch klar, dass so die Inflation steigt.“ Der 32-jährige Ökonom studierte in Deutschland und arbeitet im öffentlichen Dienst. Wie viele gebildete Mongolen meint er, dass die Regierung besser in Bildung und Infrastruktur investieren sollte. Die stammt zum Großteil noch aus der sozialistischen Zeit. Nur wenige Überlandstraßen sind geteert. „Wir müssen eine verarbeitende Industrie aufbauen“, sagt Zolzaya, „damit wir nicht mehr so sehr von Importen abhängig sind.“ Und nicht allein abhängig vom Bergbau und schwankenden Rohstoffpreisen.

Zolzaya glaubt, dass auch die Politik das mittlerweile erkannt hat. Trotz seiner Kritik schaut er optimistisch in die Zukunft. „Wir Mongolen haben Glück, wir haben ein riesiges Land mit vielen Rohstoffen und sind weniger als drei Millionen Menschen. Eigentlich könnte jeder Mongole reich sein. Aber das geht eben nicht von heute auf morgen.“