Der Kuscheltierkünstler

HANDWERK Hartmut Körber hat seine beiden Läden geschlossen. Jetzt ist er glücklich. Eine andere Wirtschaftsgeschichte

AUS SCHLESWIG DANIEL KUMMETZ

Vier dicke Beine hat das Stoffding auf der weißen Arbeitsplatte. Und komische Proportionen: Der Rumpf ist genauso hoch, wie die Beine lang sind. Das, was Kopf oder Schnauze sein könnten, wirkt ziemlich groß. Was soll das wohl werden? Das will Stofftiermacher Hartmut Körber nicht sagen. Er ist 48, schlank, asketisch und trägt die Haare sehr kurz. „Rate doch mal.“ Er greift derweil nach einer Brotdose, in der Stofftier-Augen liegen, sucht sich ein Paar heraus und beginnt, sie zu befestigen.

Die Werkstatt, in der Körber Kuscheltiere per Hand fertigt, liegt direkt neben seinem Wohnzimmer, in einer Altbauwohnung in Schleswig. Die Türen stehen offen, Treppe und Fußboden knarzen leise, wenn man darüberläuft. An der Wand hängen Schnittmuster aus Holz, die für 400 verschiedene Tiere reichen. „Mein Kapital“, sagt Körber. Ein paar Schritte weiter, ein Ständer mit verschiedenen Fellen, Webfell wie aus der Bekleidungsindustrie. Verschiedene Brauntöne, Weiß. Aus ihnen macht Körber die Kuscheltier-Hülle, die Außenhaut der Tiere. Sie fühlen sich sehr weich an.

Das Stoffding auf der Arbeitsplatte ist grau wie ein Elefant. Doch der Körper ist eigentlich zu dünn und die Farbe sagt nicht viel darüber, wie das Endprodukt aussehen wird. Denn die Hülle ist auf links gedreht. Vielleicht ein Pferd? „Oh Mann, ist das daneben“, sagt Körber.

Die Geschichte von Körbers Kuscheltierladen im Wohnzimmer läuft anders als viele Wirtschaftsgeschichten. Er ist, so sagt er, erfolgreich, will aber nicht wachsen. Ganz im Gegenteil. Er verkleinert: Er hat seine beiden Läden geschlossen. Er wollte mehr Zeit haben, auch wenn das weniger Geld bedeutet. Jetzt hat er nur noch seine Wohnzimmerwerkstatt, bei befreundeten Geschäftsleuten bekommt er Platz im Schaufenster. Viel kleiner kann er nicht werden. „Nur hier, nur ich“, sagt er. „Am Anfang war ich Anhänger des Mehr-Prinzips: Jedes Jahr mehr, jedes Jahr größer, jedes Jahr billiger.“ Irgendwann habe er nicht mehr daran geglaubt. „Weil man Gewinne immer nur auf Kosten anderer macht.“ Die Konsequenz: keine Großaufträge, keine Einkaufspreise für Händler, keinen Stand mehr auf der Spielwarenmesse in Nürnberg.

Er arbeitet ruhig, gelegentlich hört man, wie er Schubladen aufmacht, zuschiebt oder etwas aus seinen kleinen Kisten holt. Wenn Körber keinen Besuch hat, spielt er über seinen Rechner Hörbücher ab. „Wer was will, muss zu mir kommen“, sagt er. Jeder kann ihn in seiner Werkstatt besuchen, sein Tier aussuchen und in Auftrag geben. Als Kleinstkunsthandwerker, so sieht er sich, hat er kaum noch Kosten und viel weniger Produktionsdruck. „Ich muss nicht schnell arbeiten“, sagt er. Jetzt kann er aufwendige, eigentlich unökonomische Kuscheltiere herstellen. Er kann den ganzen Tag an einem Tier arbeiten, das dann 39 Euro kostet. Der Preis ist so niedrig, weil er will, dass ein Kind sich das leisten kann.

„Du musst dich halt entscheiden, wo es in deinem Leben hingehen soll“, sagt er. „So wie ich das hier mache, werde ich keinen Pokal gewinnen.“ Ein Haus, ein großes Auto, das habe er gehabt, heute verzichtet er darauf. „Ich will keine Geschäfte machen, ich will Stofftiere machen“, sagt er. Am liebsten hätte er jemanden, der ihm noch die Buchhaltung abnimmt – dafür aber auch nicht viel Geld sehen will.

Produktion in Asien? Für Körber unvorstellbar. Er sei in Hongkong und Vietnam in Stofftier-Fabriken gewesen, sagt er. Die Produktionsbedingungen dort findet er unvertretbar. „Ich will damit nichts zu tun haben.“

Die meisten Kuscheltiere, erzählt er, werden vor einem Container-Transport mit Chemikalien eingesprüht. „Deshalb riechen die auch alle gleich.“ Seine Tiere haben den Geruch nach Wohnzimmer angenommen.

Fast nervt diese Nachhaltigkeitsprosa. Der Moralist, protestantisch streng, der wortkarg an seinen Einzelstücken bastelt, an einem Tag 250 Kilometer mit dem Rad schafft, hohe Ansprüche an sich und an andere hat. Fast ein bisschen hart. Fast knöchern. Ob wirklich der Idealismus seinen Lebenswandel bewirkt hat: schwer zu sagen.

Er nimmt die Hülle des grauen Etwas in beide Hände und beginnt, sie umzukrempeln, das Fell nach außen zu stülpen – was gar nicht so einfach ist. Um die Beine richtig in Form zu bringen, greift er zu einer dünnen Metallstange und stochert damit von innen in den Kuscheltierbeinen. Es ist ein Elch.

Wenn Hartmut Körber vor seinem Regal mit Augen steht, kann er durch die gegenüberliegenden Häuser auf den Dom von Schleswig gucken, zum Ort, an dem alles anfing, „meinen Dom“, sagt Körber. Er liebt den Blick. Sein Vater war Pastor in Schleswig. Er erfand den Schwahl-Markt im Kreuzgang des Doms, einen Kunsthandwerker-Markt in der Weihnachtszeit. Seine Mutter hatte die Idee, selbst gemachte Stofftiere zu verkaufen, Hartmut Körber half – sie waren schnell ausverkauft.

Ein paar Jahre später brach Körber seine Erzieherausbildung ab und begann, sich eine Existenz als Stofftiermacher aufzubauen. Eine Ausbildung dafür gibt es nicht. Heute noch verkauft er auf dem Schwahl-Markt und auf anderen Weihnachtsmärkten und verdient so die Hälfte seines Umsatzes. Die andere Hälfte sind Einzelkäufer, die ihn in seinem Wohnzimmer besuchen – oder online bestellen.

Er erzählt von seinen Fans, er formuliert das nüchtern nordisch, aber nicht ohne Stolz: „Man hat seine Pappenheimer, die sich jedes Jahr melden.“ Es gebe Familien, die hätten die gesamte Produktion, sie sammeln Körbers Kuscheltiere. Und er erzählt von Müttern, die mit einem Stofftier von ihm aufgewachsen sind und jetzt für ihre eigenen Kinder eins kaufen wollen.

Körber dreht den Elch zu sich, schaut in seine Spielzeugaugen und beginnt, sie mit einer Schere freizuschneiden. Dann nimmt er eine elektrische Haarschneidemaschine, es brummt. „Hier muss ich gar nicht viel machen“, sagt er. „Bei Hunden schneide ich das ganze Gesicht rein.“ Er schaut den Elch immer wieder prüfend an. Als er zufrieden ist, füllt er Spielzeugranulat in die Beine. „Damit er mehr Gewicht kriegt.“ Watte rein, zunähen, fertig.

Teddys? Völlig idiotisch

Die meisten Ideen für neue Tiere kommen von Kunden: Fledermäuse oder Schollen. „Mein Knaller letztes Jahr war ein Oktopus, da wär ich auch nicht drauf gekommen“, sagt Körber. Überhaupt Meerestiere, die sind für ihn eine willkommene Abwechslung – und vor allem handwerkliche Herausforderung. „Es ist sehr schwer, die in hoher Qualität herzustellen“, sagt Körber. Auch wenn sich die Tiere dann manchmal nicht rechnen. „Mein Dachs hat sechzig Teile, den dürfte ich eigentlich niemals machen.“ Doch jetzt gehe das, eine Mischkalkulation – sein Bär hat nur neunzehn. Und er verkauft auch ein kleines Lesezeichen-Kuscheltier, eine Maus. Davon schafft er sechzig am Tag. Irgendwann in diesem Jahr will er sich an sein Lieblingstier wagen: einen Mops. Er hat zwei lebendige zu Hause, an der Wand hängt ein Mops-Kalender. Das Reizvolle für Körber: die Falten reinnähen, etwas, was er bisher noch nicht gemacht hat.

„Den nächsten Teddy zu machen, das haut mich nicht von den Socken“, sagt Körber. Klar, er verkauft die auch. Doch eigentlich findet er die „völlig idiotisch“, sagt er und nimmt ein Exemplar aus seinem Regal. Kinder fassten die Tiere an den dicken, kurzen Armen an. „Dann guckt der Teddy immer weg“, sagt er. Legt man einen Teddy zu einem Kind im Bett, dann „liegt der wie erschossen auf dem Rücken“. Körber hat deshalb einen Bären entworfen, der die Kinder immer anguckt. Doch zeigen kann er den gerade nicht. Er ist ausverkauft.