Allianz gilt als globaler Unsicherheitsfaktor

FINANZMÄRKTE: Der Finanzstabilitätsrat hat weltweit neun Versicherungskonzerne als „systemrelevant“ eingestuft und damit auf eine Stufe mit den gefährlichen Großbanken gestellt. Die Allianz gehört dazu

Die Bankenaufsicht ist erleichtert, dass die Allianz mehr Eigenkapital vorhalten muss

HAMBURG taz | Versicherungskonzerne wie die Allianz sind genauso gefährlich für das globale Finanzsystem wie Großbanken. Zu diesem Schluss gelangte der internationale Finanzstabilitätsrat. Die Aufsichtsorganisation der G-20-Staaten legte eine Liste mit neun Versicherern vor, die als „global systemrelevant“ eingestuft werden. Für Verbraucher ist dies eine gute und eine schlechte Nachricht.

Global agierende Großversicherer werden damit vom Financial Stability Board (FSB) auf eine Stufe mit weltweit tätigen Kreditinstituten gestellt. 28 Banken, darunter die Deutsche Bank, waren vom Finanzstabilitätsrat bereits im November 2012 auf die schwarze Liste gesetzt worden. Aus Deutschland gilt nun auch die Allianz SE als hochriskant. Dazu kommen die amerikanischen AIG, MetLife und Prudential Financial, die britischen Aviva und Prudential plc. sowie Ping An Insurance aus China, außerdem die in Deutschland mit einer starken Marktstellung vertretene italienische Generali und die französische Axa. Rückversicherer fehlen bislang in der Liste. Über deren Systemrelevanz soll erst im kommenden Jahr entschieden werden. Es wird erwartet, dass Weltmarktführer Münchner Rück und vielleicht auch die Hannover Re in den Kreis befördert werden.

Die Risikoeinstufung verdrießt den deutschen Versicherungsverband GDV. Hauptgeschäftsführer Jörg von Fürstenwerth: „Versicherungsgeschäft ist nicht systemrelevant. Versicherungsgeschäft ist kein Bankengeschäft.“ Damit machen sich die Sicherheitsverkäufer unbedeutender, als sie sind: Versicherer gehören auf den Finanzmärkten zu den allergrößten Akteuren. Allein die Allianz hat weit über 1 Billion Euro weltweit angelegt, mehr als die Deutsche Bank. Niedrige Leitzinsen können sie ebenso empfindlich treffen wie durch Naturkatastrophen oder globale Finanzkrisen verursachte Schäden. Dass bei dem Absturz eines Versicherungsgiganten dann eine Lawine droht, belegt der Fall der Versicherung AIG, die sich 2008 mit Kreditausfallversicherungen verspekuliert hatte und von der US-Regierung mit 150 Milliarden Dollar gerettet werden musste.

Die Bundesfinanzaufsicht Bafin wirkt denn auch erleichtert: Wenig diplomatisch „begrüßt“ sie in einer Pressemitteilung die FSB-Entscheidung als „essentiellen Schritt“, um die Finanzstabilität zu wahren und die Versicherungsnehmer zu schützen. Um die Gefahr einzudämmen, sollen laut Bafin die Versicherungsgiganten nun ihr Kapital erhöhen, und die Aufsicht soll ausgebaut werden. Bis Ende 2014 müssen die Versicherer zudem ein „Testament“ für den Fall einer Pleite aufsetzen.

Die Allianz gibt sich gelassen. Für eine detaillierte Einschätzung sei es noch zu früh. Vorstandsmitglied Dieter Wemmer lässt immerhin wissen, dass der Konzern „ein widerstandsfähiges Geschäftsmodell“ besitze.

Jeder zweite Bundesbürger ist Kunde bei einer der systemrelevanten Versicherungen. „Zusätzliche Kosten dürften für die Unternehmen – und damit für die Versicherungsnehmer – aber in jedem Fall damit verbunden sein“, analysiert Reinhold Müller vom Fachinfodienst Versicherungsjournal. Zuletzt bedeuten mehr Eigenkapital und mehr regulatorische Anforderungen höhere Kosten im Vergleich zur Konkurrenz.

Auch Lars Gatschke, Versicherungsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), befürchtet, dass Policen teurer werden. „Aber vor allem könnten die Ausschüttungen in der Altersvorsorge zurückgehen.“ Anderseits sei es „positiv“, wenn die Finanzstabilität der Versicherungsbranche zunehme. Das größere Sicherheitspolster könnte Kunden zudem motivieren, zu den Big 9 zu wechseln und ihre Policen bei einem der „Tanker“ abzuschließen.

HERMANNUS PFEIFFER