EU-Parlament flickt Klimaschutz

EMISSIONEN Eine Reform soll den Ausstoß von CO2 verteuern. Ob sie wirkt, ist allerdings fraglich

BERLIN taz | Nach über eineinhalb Jahren harten Ringens hat das EU-Parlament endgültig einer Reform des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten zugestimmt. Eine Mehrheit der Parlamentarier ermächtigte die EU-Kommission am Dienstag, 900 Millionen Emissionszertifikate später als geplant zu versteigern.

Der Emissionshandel ist das wichtigste Instrument, mit dem die EU ihren Ausstoß an Klimagasen senken will: In allen 28 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen müssen Industriebetriebe und Kraftwerksbetreiber für jede Tonnen CO2, die sie in die Atmosphäre freisetzen, ein Zertifikat vorweisen. Sie werden teilweise von den Mitgliedsstaaten versteigert, teilweise kostenlos zugewiesen und sind wie Aktien frei handelbar. Weil immer weniger ausgegeben werden, ist die Wirtschaft insgesamt gezwungen, ihre Emissionen zu senken.

Vor allem wegen der Wirtschaftskrise ist das allerdings ohnehin der Fall. Deshalb sind die CO2-Zertifikate so billig, dass sie keinen Anreiz mehr für Industriebetriebe setzen, in Klimaschutz zu investieren. Die EU-Kommission sieht deshalb die Gefahr eines „Carbon Lock-In“: Wenn die Wirtschaft mit ihren Investitionen selbst bei neuen Fabriken oder Kraftwerken zu wenig auf Klimaschutz achtet, werden die Anlagen noch über Jahre hinweg ihre hohen Emissionen in die Zukunft schleppen.

Entsprechend erleichtert fielen die Reaktionen aus: „Sieg der Vernunft“, twitterte die SPD im Europaparlament, deren Berichterstatter Matthias Groote für das Gesetz gekämpft hatte. „Endlich!“ kam von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Der Preis für die Zertifikate stieg bereits in den vergangenen Tagen von 4,5 auf 4,9 Euro pro Tonne, viele Händler hatten die Entscheidung erwartet.

Genau das könnte auch das Problem sein: Die Zertifikate sind nicht vom Markt genommen, sie werden nur später emittiert. Experten wie Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, vermuten, dass die Wirkung deshalb verpufft. Die grüne EU-Abgeordnete Rebecca Harms etwa fordert eine „echte strukturelle Reform des Handelssystems“. Wem das zu lange dauert: Der gemeinnützige Verein TheCompensators kauft gegen Spenden CO2-Zertifikate und legt sie still. INGO ARZT

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