Libor keine Aufklärung

BANKENAFFÄRE Aufsichtsbehörde Bafin: Spitze der Deutschen Bank scheut Konsequenzen im Libor-Skandal. „Schwerwiegende Missstände und organisatorische Defizite“

Die EU verdonnerte die Bank zu einer Strafe von 725 Millionen Euro

VON ULRIKE HERRMANN

BERLIN taz/dpa | Die Bankaufsicht Bafin hat in einem internen Bericht die Deutsche Bank heftig kritisiert. Die Behörde wirft den Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen vor, die Verstrickungen ihres Instituts in den Libor-Skandal nicht ausreichend aufzuklären und personelle Konsequenzen zu scheuen. Dies ist internen Prüfberichten zu entnehmen, aus denen der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe zitiert. Die Bafin beklagt „schwerwiegende Missstände und gravierende organisatorische Defizite“ bei Deutschlands führendem Geldinstitut.

Der Libor ist ein Referenzzins, der täglich von 18 europäischen Großbanken ermittelt wird und an dem Kredit- und Derivatgeschäfte im Wert von geschätzten 500 Billionen Dollar hängen. Diesen Zinssatz haben die Deutsche Bank und andere Großbanken von 2005 bis 2010 manipuliert, um ihre Gewinne zu maximieren. Der Schaden für die Kunden wird auf etwa 17 Milliarden Dollar geschätzt.

Die Zinsmanipulation war einfach, denn beim Libor geben die Banken an, zu welchen Konditionen sie sich selbst bei anderen Banken refinanzieren könnten. Der Clou: Die Banken mussten nicht die echte Refinanzierungskosten melden, sondern durften Schätzwerte abgeben.

Die US-Aufsicht hatte schon seit Jahren vermutet, dass beim Libor manipuliert wurde – doch die zuständige britische Aufsicht blieb lange untätig. Erst im Juni 2012 flog die Barclays Bank auf, und seither zieht der Skandal immer neue Kreise.

Anfang Dezember verhängte die EU-Kommission Strafen von insgesamt 1,4 Milliarden Euro – 725 Millionen an die Deutsche Bank. Die Verfahren in den USA und in Großbritannien laufen noch. Außerdem drohen Schadensersatzklagen von Anlegern, die sich falsch beraten fühlen. Meist geht es um Swap-Geschäfte – also Derivatkonstruktionen, mit denen fixe und variable Zinsen getauscht werden.

Erste wegweisende Urteile sind bereits gefallen. So hat ein Gericht in London kürzlich zugelassen, dass die Libor-Manipulationen eine Rolle in Verfahren spielen dürfen, in denen es ursprünglich nur um das reine Swap-Geschäft gehen sollte.

Trotz der juristischen Aufarbeitung ist eine Frage beim Libor-Skandal offen: Wie genau waren die Bankchefs informiert, dass der Referenzzins manipuliert wurde? Aus einem Zwischenbericht der Bafin vom Sommer zitiert jetzt der Spiegel.

Die Bafin erhebt zwei Vorwürfe, die Fitschen und Jain direkt treffen. Erstens: Sie hätten die Affäre intern nicht ausreichend aufgeklärt – und nicht die nötigen personellen Konsequenzen gezogen. Nach wie vor sei ungeklärt, „ob eine Beteiligung oder Kenntnis des Senior Managements bezüglich möglicher Manipulationsversuche bestand“.

Zweitens: Vom versprochenen „Kulturwandel“ sei in der Bank nichts zu sehen. Stattdessen seien viele Personen „an neuralgischer Stelle tätig“, die direkt oder indirekt in den Libor-Skandal verstrickt waren.

Die Deutsche Bank wiederholte am Sonntag, was sie stets zum Libor-Skandal sagt: Man kooperiere vollumfänglich mit den Aufsichtsbehörden. Nach aktuellem Stand sei kein Vorstandsmitglied verwickelt.