Ungeliebte Gerechtigkeit

STANDORT Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia will untersuchen, ob Weltkonzerne in EU-Ländern zu Unrecht so wenig Steuern zahlen. Obwohl Mehreinnahmen locken, sind die Staaten eher aufgeschreckt

BRÜSSEL taz | EU-Kommissar Joaquín Almunia fahndet nach verbotenen Staatsbeihilfen. Der Spanier, der in der Brüsseler Kommission für Wettbewerbsfragen zuständig, möchte den Mitgliedstaaten zu höheren Steuereinnahmen verhelfen – notfalls gegen deren Willen. Einige Länder sind darüber wenig erfreut. Luxemburg will, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft, ob Almunia damit seine Kompetenzen überschreitet.

Anlass für Almunias Initiative war der Verdacht, dass einige EU-Staaten es zumindest dulden, wenn bestimmte globale Konzerne zu wenig Steuern zahlen. Ende 2013 bat die Kommission deshalb Luxemburg, die Niederlande, Irland, Belgien und Großbritannien schriftlich um steuerrechtliche Informationen. Namen von Unternehmen wurden nicht genannt. Doch die Auswahl der Länder legt nahe, dass Google, Facebook, Amazon, Apple und Co gemeint sind. Laut Bloomberg soll etwa Google seine Steuerlast binnen drei Jahren um über 3 Milliarden US-Dollar reduziert haben, indem es Bereiche nach Irland auslagerte und dortige Steuerschlupflöcher ausnutzte.

„Die Konzerne handeln völlig legal“, sagt Almunia. Deshalb knöpft er sich Nationalstaaten vor, die mit diesen Steuervergünstigungen locken. Konkret geht es etwa darum, ob sogenanntes tax ruling, das Raum für Sonderbehandlungen bietet, gleichzusetzen ist mit staatlichen Beihilfen.

Almunia droht, „gerichtliche Schritte“ einzuleiten, wenn ein Land die Auskunft verweigert. Das hat bislang nur Luxemburg getan und deshalb Ende März eine offizielle Order aus Brüssel bekommen, die Fragen zu beantworten. Andernfalls werde Klage vor dem EuGH eingereicht. Erhärtet sich der Verdacht, dass der Fiskus steuerliche Vorteile durchgehen lässt, droht die Strafe nicht dem jeweiligen Land, sondern dem begünstigten Konzern, der die Beihilfe zurückzahlen muss – und zwar an den jeweiligen Staat.

Doch weil die EU-Staaten im Kampf um die Niederlassung internationaler Unternehmen und damit um Arbeitsplätze in direkter Konkurrenz zueinander stehen, freuen sie sich nicht unbedingt über diesen Eingriff in ihre Steuerpolitik. Diese sei eine nationale Angelegenheit, ist ihre Botschaft an Brüssel. Luxemburgs Wirtschaftsminister Etienne Schneider antwortete auf die Frage, mit welchen Argumenten er auf seinen Auslandsmissionen für den Standort Luxemburg werbe: „Verschiedene Konzerne probieren mit uns, über Steuern zu verhandeln, doch das ist in jedem Land der Fall.“

Staatsbeihilfen allerdings, so kontert der Wettbewerbskommissar, fielen „eindeutig unter die Kompetenz der Europäischen Kommission“.

Tatsächlich dürfte es schwierig und langwierig sein, den Ländern einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht nachzuweisen. Zudem läuft Almunias Mandat noch dieses Jahr ab, der neuen Kommission wird er nicht mehr angehören.

Dass Luxemburg jetzt in die Gegenoffensive geht, zeigt allerdings, dass der Spanier offenbar doch einen wunden Punkt getroffen hat. Auch andere sehen das offenbar so. So schrieb der Sprecher des irischen Finanzministers an Almunia, die steuerrechtlichen Nachfragen aus Brüssel könnten dem internationalen Ruf der Insel schaden.

DANIELE WEBER