Algorithmen lenken intelligenten Bus

NAHVERKEHR Starre Fahrpläne und feste Routen waren gestern: Die Wünsche der Fahrgäste steuern Helsinkis neues Bussystem. Das Experiment ist allerdings teuer: Es benötigt 3,2 Millionen Euro im Jahr

STOCKHOLM taz | Mit dem Kinderwagen quer durch die Stadt und mehrfach umsteigen – das kann mit öffentlichen Verkehrsmitteln mühsam sein. Doch nicht mehr in Helsinki. Dort bieten die städtischen Nahverkehrsbetriebe seit einem Jahr eine Alternative an: die hellblauen Kleinbusse von „Kutsuplus“. Diese Anrufbusse sind eine Mischung aus Bus und Taxi.

Im Gegensatz zu anderen anrufgesteuerten Nahverkehrsdiensten gibt es bei „Kutsuplus“ weder einen Fahrplan noch feste Fahrtrouten. Auf der Basis der stetig eingehenden Fahrtwünsche kombiniert ein IT-System eine optimale Route für die Kleinbusse.

Wer den „Kutsuplus“ benutzen will, benötigt ein Smartphone. Außerdem muss man auf www.kutsuplus.fi einen Account einrichten und per Kreditkarte oder per Prepaidguthaben auffüllen. Neben der Route ist auch die Abfahrtzeit frei wählbar – zwischen „sofort“ und bis zu maximal einer Stunde später. Sonderwünsche, wie Platz für einen Kinderwagen, werden gleich mitgebucht. Postwendend erhält man eine Mitteilung, wann der „Kutsuplus“-Bus wo bereitstehen wird, sowie einen Code, der gleichzeitig der Fahrschein ist.

Die Passagiere können zwischen zwei Preisklassen wählen – je nachdem, ob sie es eilig haben oder bereit sind, eine kleine Verzögerung oder einen Umweg in Kauf zu nehmen. Über die jeweiligen alternativen Abfahr- und Ankunftszeiten wird man vor der Bestellung konkret informiert. Der Grundpreis für eine „Kutsuplus“-Fahrt liegt zwischen 2,80 (Spartarif) und 3,50 Euro (Normalpreis). Per Kilometer werden zusätzlich zwischen 0,36 und 0,45 Euro fällig. Reisen mehrere Personen zusammen, gibt es 20 bis 50 Prozent Gruppenrabatt. Die Busse sind mit WLAN ausgestattet, und über ein Display wird man permanent über die eigene Fahrtroute informiert.

Dieser vollautomatisierte anrufgesteuerte Kollektivverkehr wurde 2012 als Versuchsprojekt auf dem Campus der Aalto-Universität in Helsinki gestartet und wird seit Juni 2013 für den größten Teil der finnischen Hauptstadt angeboten. Bestellen kann man „Kutsuplus“ an Werktagen zwischen 6 Uhr und Mitternacht. Die Busflotte soll demnächst von 15 auf 35 Kleinbusse aufgestockt werden.

Ob „Kutsuplus“ den öffentlichen Personennahverkehr revolutioniert oder nur ein teures Experiment ist, darüber wird auch in Finnland gestritten. Für dieses Jahr sind Zuschüsse von rund 3,2 Millionen Euro eingeplant. Die Benutzung der Busse ist zwar seit Inbetriebnahme stetig gestiegen, liegt aber monatlich bei nicht mehr als 4.500 Fahrten, was täglich etwa 200 Passagieren entspricht. Denn eine Fahrt kostet zwar nur halb so viel wie ein Taxi, ist aber deutlich teurer als das Einzelticket von 2,20 Euro, das für die normalen Busse und Bahnen in Helsinki fällig wird.

Der Taxiverband ist inzwischen überzeugt von dem neuen Konzept. Sprecher Ville Jaakola schlägt vor, die rund 2.000 Taxis der Hauptstadt könnten jene Passagiere transportieren, für die die Sammeltransporte von „Kutsuplus“ nicht optimal sind. Die Taxibranche hatte anfangs große Bedenken, weil man eine Konkurrenz befürchtete, die mit subventionierten Preisen taxiähnliche Dienste anbietet. „Mittlerweile sehen wir aber mehr Möglichkeiten als Probleme“, sagt Jaakola. Die Testphase von „Kutsuplus“ läuft erst einmal bis 2015.

REINHARD WOLFF