Verwirrung statt Transparenz

ANHÖRUNGEN Die neue EU-Kommission bleibt auf neoliberalem Kurs. Sogar der umstrittene Investorenschutz wird vorangetrieben – nach einer mysteriösen Nacht-und-Nebel-Aktion

„Er ist zwar unfähig, aber deutsch“

SATIRIKER MARTIN SONNEBORN ÜBER DEN KÜNFTIGEN INTERNETKOMMISSAR GÜNTHER OETTINGER

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Die neue EU-Kommission will das umstrittene Freihandelsabkommen mit Kanada nicht neu verhandeln. Sie plant auch keinen Bruch mit der bisherigen neoliberalen Politik der Marktöffnung und des Investorenschutzes. Dies geht aus den ersten Anhörungen der designierten künftigen EU-Kommissare im Europaparlament hervor.

Cecilia Malmström (Handel) und Günther Oettinger (Digitales) blieben vage und ließen keine Innovationen erkennen. Nur der designierte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wagte sich am Dienstag etwas aus der Deckung und versprach, Europa nicht weiter zu einer „Festung“ ausbauen zu wollen. „Die Geschichte hat gezeigt: Diejenigen, die sich schützen wollten, wurden letztlich zu Sklaven und lebten in Isolation“, sagte Avramopoulus, der bisher als Verteidigungsminister in Athen an der Abschottung beteiligt war. Er wolle sich für die Verbesserung der Lage in den Herkunftsländern sowie für eine verstärkte Flüchtlingsaufnahme in Europa einsetzen.

Das kam gut an bei den Abgeordneten, die von Malmström und Oettinger mit Floskeln abgespeist worden waren. Vor allem die designierte Handelskommissarin brachte die Parlamentarier mit vagen Antworten auf. Trotz wiederholter Nachfrage legte sie sich nicht fest, ob das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, eine Klausel für den Investorenschutz (ISDS) enthalten werde. Malmström konnte auch nicht aufklären, wieso ihre schriftliche Antwort an das Parlament verändert worden war.

Ein gewisser „Selmayr, Martin“ hatte am Sonntagmorgen den Text korrigiert und folgenden Satz gelöscht: „Das bedeutet eindeutig, dass keine Investor-Staat-Streitbeteiligung Teil dieser Vereinbarung wird.“ Selmayr ist der Spindoktor von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Hatte er versucht, Malmström auf Kurs zu bringen? Oder hat jemand anderes unter seinem Namen den Text verändert? Weder Selmayr noch Malmström konnten die mysteriöse Aktion aufklären. Statt der versprochenen Transparenz in Handelsfragen herrscht Verwirrung.

Für Heiterkeit sorgte dagegen der designierte Internetkommissar Oettinger. Der CDU-Mann erklärte nicht nur, das Hollywoodstars selbst schuld seien, wenn sie Nacktbilder ins Internet stellten, die dann veröffentlicht würden – womit er eine gewisse Unkenntnis über den Datenschutz und die Cloud offenbarte. Er ließ sich auch in ein Wortgefecht mit dem EU-Abgeordneten und Satiriker Martin Sonneborn verwickeln. „Können Sie diese Frage bitte auf Englisch beantworten?“, provozierte Sonneborn den Schwaben. Der weigerte sich. Auf taz-Nachfrage zog der Satiriker nun ein (nicht ganz ernst gemeintes) Resümee: „Ich bin irritiert, dass er sich den Befehlen der Partei widersetzt.“ Oettinger sei nicht verständlich gewesen, da er Schwäbisch gesprochen habe. Eine Übersetzung habe es nicht gegeben. Ob er Oettinger für fähig hält, zum Internetkommissar zu mutieren? „Nein, er ist nicht fähig“, antwortet Sonneborn. Das sei aber nicht weiter schlimm, denn: „Er ist zwar unfähig, aber deutsch.“