Milliarden von den Spekulanten

FINANZTRANSAKTIONSTEUER Der deutsche Staat könnte laut einer Studie 18 bis 44 Milliarden Euro pro Jahr kassieren, wenn der Handel mit Aktien und Derivaten besteuert wird

Die Studie ist hochaktuell, weil elf Euro-Staaten eine solche Steuer befürworten

VON ULRIKE HERRMANN

BERLIN taz | Eine Finanztransaktionsteuer würde sich für die Staaten lohnen: Allein Deutschland könnte mit 18 bis 44 Milliarden Euro rechnen, wie eine neue Studie im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion zeigt. Frankreich wäre mit 14 bis 36 Milliarden Euro dabei, Italien mit 3 bis 6 Milliarden. Österreich käme auf 700 Millionen bis 1,5 Milliarden.

Diese Zahlen gehen davon aus, dass Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen mit 0,1 Prozent besteuert werden, wenn sie den Eigentümer wechseln. Diese Steuer würde sowohl beim Käufer als auch beim Verkäufer erhoben. Bei Derivaten wären es 0,01 Prozent auf den Nominalwert.

Es würden nur die Transaktionen auf den sogenannten Sekundärmärkten besteuert – also der reine Handel von schon existierenden Papieren. Erstgeschäfte wären nicht berührt, wie etwa die Kreditvergabe an Firmen und Verbraucher oder die Ausgabe von neuen Aktien.

Damit sich die Steuer nicht umgehen lässt, müsste unter anderem das sogenannte Ansässigkeitsprinzip gelten: Es würden alle Transaktionen besteuert, die die heimischen Finanzinstitute und Händler durchführen. Es wäre teuer, darauf zu verzichten. Frankreich und Deutschland würden mehr als 30 Prozent der prognostizierten Einnahmen verlieren, bei Österreich wären es 75 Prozent.

Die Studie ist hochaktuell, weil elf Euro-Staaten eine gemeinsame Finanztransaktionsteuer einführen wollen. Dies sind Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien und Spanien. Noch sind jedoch eine ganze Reihe von Details strittig.

Dazu gehört die Frage, ob auch der Handel mit Staatsanleihen besteuert werden soll. Manche Regierungen sind dagegen, weil sie fürchten, dass dann die Zinssätze steigen könnten, die sie zahlen müssen. Allerdings wäre es für die Finanzminister ziemlich kostspielig, wenn die Staatsanleihen ausgenommen würden. In Deutschland würden die Erträge aus der Finanztransaktionsteuer nur noch 11 bis 36 Milliarden Euro betragen.

Umstritten ist auch, welche Transaktionen besteuert werden sollen. Frankreich hat bis vor Kurzem ein Modell favorisiert, das vor allem Aktien belastet – aber die allermeisten Derivate nicht berücksichtigt. Dies ist jedoch keine gute Idee, wie Studienautorin Dorothea Schäfer feststellt, die beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeitet: „Der Aufkommensverlust kann für Deutschland bei mehr als 90 Prozent liegen.“

Denn die Banken würden sofort auf „Instrumentenarbitrage“ setzen. Übersetzt: Man würde Derivate nutzen, mit denen man den Aktienhandel nachbilden kann – ohne dass eine einzige „echte“ Aktie die Hände wechseln muss.