EU-Gericht stellt sich hinter EZB

RECHT Die Zentralbank darf Staatsanleihen aufkaufen. Aber: Der Kauf muss währungspolitisch motiviert sein. Den Euro darf die Bank nur nebenbei retten

Kläger Peter Gauweiler: „Kriegserklärung“ an das Bundesverfassungsgericht

VON CHRISTIAN RATH

BERLIN taz | Die Europäische Zentralbank (EZB) kann grundsätzlich Staatsanleihen aufkaufen, um das Zinsniveau von Krisenstaaten zu senken. Das hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Kläger Peter Gauweiler sieht darin eine „Kriegserklärung“ an das Bundesverfassungsgericht.

Im Sommer 2012 mussten stark verschuldete Staaten wie Spanien deutlich höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen zahlen als etwa Deutschland. Auf den Finanzmärkten spekulierten viele auf ein Ausscheiden der hochverschuldeten Staaten aus der Eurozone und damit auf ein Scheitern der Währungsunion. Damals erklärte EZB-Chef Mario Draghi, die EZB werde den Euro retten, „koste es, was es wolle“. Im September 2012 kündigte die Zentralbank dann an, sie werde in unbegrenzter Höhe Staatsanleihen von gefährdeten Staaten aufkaufen, wenn diese sich zugleich zum Sparen verpflichten – das OMT-Programm („outright monetary transactions“). Schon die Ankündigung führte dazu, dass die Zinszuschläge deutlich zurückgingen. Der Euro war vorerst gerettet. Das OMT-Programm wurde nie angewandt.

Allerdings klagten deutsche Euroskeptiker von Peter Gauweiler (CSU) bis zur Linksfraktion gegen das Programm. Zunächst mit Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Februar 2014, das Ankaufprogramm sei wohl eine „offensichtliche Kompetenzüberschreitung“ der EZB, weil die EZB nicht für Wirtschaftspolitik zuständig sei und auch nicht unmittelbar Anleihen der EU-Staaten kaufen darf. Da für die Auslegung des EU-Rechts aber der EuGH zuständig ist, legte Karlsruhe diesem die Rechtsfrage vor.

Der EuGH entschied nun, dass die EZB damals ihre Kompetenzen nicht überschritten hat. Das Ziel der EZB sei „währungspolitisch“ gewesen. Die überhöhten Zinsen hätten verhindert, dass die Bank mit Zinsimpulsen geldpolitisch steuern konnte. Die EZB durfte daher versuchen, die Zinsen zu drücken. Dass dies zugleich die Stabilität des Euro erhöhte, mache das Programm aber nicht zu einer wirtschaftspolitischen Maßnahme, so der EuHG.

Zudem stellte der EuGH klar, dass für die EZB ein „Verbot der monetären Finanzierung der Mitgliedsstaaten“ gilt. Die Bank dürfe den Staaten daher nie garantieren, dass sie ihre Anleihen auf dem Markt aufkaufen werde. Auch müsse die EZB eine (nicht näher bestimmte) „Mindestfrist“ zwischen Ausgabe der Anleihe und Ankauf auf dem Markt einhalten, so der EuGH. Bei Beachtung der Vorgaben sei der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB keine Gefahr für eine „gesunde Haushaltspolitik“ ohne „übermäßige Verschuldung“.

Der Rechtsstreit ist damit aber noch nicht zu Ende. Über die Klagen von Gauweiler und Co muss abschließend das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das kann spannend werden, denn Karlsruhe hatte das OMT-Programm ja als Verstoß gegen EU-Recht gewertet – „vorbehaltlich der Auslegung durch den EuGH“. Das Bundesverfassungsgericht muss also entscheiden, ob ihm die Einschränkungen des EuGH genügen. Voraussichtlich im Herbst wird es dazu eine neue mündliche Verhandlung geben.

Auf das neue EZB-Ankaufprogramm „Quantitative Easing“ ging der EuGH nicht ein. Die EZB kauft derzeit für rund 60 Milliarden Euro monatlich Staatsanleihen, um einer Deflation vorzubeugen. Da dies eine eindeutig geldpolitische Zielsetzung ist, dürfte der EuGH keine Bedenken haben. Beim Bundesverfassungsgericht liegt allerdings bereits eine Klage von drei Unternehmern um Kanzlerenkel Patrick Adenauer vor. (Az.: C-62/14)

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