Netzneutralität: EU will Daten diskriminieren

INTERNET Brüssel gefährdet durch seine Regeln zum digitalen Binnenmarkt die Freiheit im Netz

BERLIN taz | Auf EU-Ebene wird es wohl keine Verankerung von strengen Regeln zur Netzneutralität geben. Darauf lässt ein nun bekannt gewordenes Papier aus den Trilog-Verhandlungen über einen digitalen Binnenmarkt schließen, bei denen EU-Kommission, Ministerrat und Europaparlament über eine gemeinsame Position verhandeln. Gegenüber dem im April vom Parlament verabschiedeten Entwurf weicht das aktuelle Papier die Position zur Netzneutralität deutlich auf.

Das Prinzip der Netzneutralität besagt, dass Internet-Provider wie die Telekom oder Kabel Deutschland alle zu transportierenden Datenpakete gleich behandeln – und nicht die Daten einzelner Dienste oder Kategorien bevorzugen oder benachteiligen. Gesetzlich verankert ist das Prinzip allerdings bislang weder in Deutschland noch auf EU-Ebene. Dementsprechend wird es an einzelnen Stellen bereits aufgeweicht – etwa im Mobilfunk, wo Anbieter in ihren Verträgen die Nutzung einzelner Dienste bereits ausschließen. Umgekehrt bevorzugen sie einzelne Programme wie Musikstreamingdienste, in dem sie deren Datenvolumen nicht anrechnen.

Der aktuelle Entwurf sieht unter anderem Ausnahmen für die Maschine-Maschine-Kommunikation vor und für providerseitige Filter, wie es sie beispielsweise in Großbritannien gibt. Dort sind die Provider befugt, pornografische Inhalte zu blocken – sofern der Anschlussinhaber nicht explizit widerspricht. In die Kritik geraten sind die Filter nicht nur wegen dieses Opt-out-Verfahrens, sondern auch, weil Seiten geblockt wurden, die eindeutig nicht pornografischen Inhalts sind – etwa die Seite des Chaos Computer Clubs.

Von einer „Möglichkeit, das Internet weiter zu kommerzialisieren“, spricht Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft angesichts der Pläne. Ohne Netzneutralität könnten Provider dank ihrer Flaschenhalsposition sowohl von den Inhalteanbietern als auch von den Nutzern zusätzlich abkassieren. Doch die Nachteile wären nicht nur finanzieller Natur: Auch neue Marktteilnehmer – etwa eine privatsphärefreundliche Alternative zu Facebook oder die Suchmaschine, mit neuem Algorithmus – hätten schlechte Chancen.

Auch die Bundesregierung hat sich bislang verhalten bis ablehnend in Sachen Netzneutralität gezeigt. So blieb etwa eine Kann-Regelung für eine Verordnung in der Novelle des Telekommunikationsgesetzes von 2012 ungenutzt. SVE

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