Eisenbahn-Thriller "Transsiberian": Von allem etwas, ist etwas zu viel

Drogenschmuggel, Russenmafia und Ben Kingsley: "Transsiberian" von Brad Anderson ist ein Eisenbahn-Thriller, der zu sehr unter Dampf steht.

Ohne Ben Kingsley. Bild: berlinale

Fahrten mit Eisenbahnen sind ein dankbares Motiv für einen Kinofilm - und Brad Anderson weiß ganz genau, wie er so etwas in Szene setzen kann. Da gibt es diesen so berührenden Moment, wenn die Lokomotive den Zug ruckelnd in Bewegung setzt. Da gibt es die Totale - am besten in der Hubschrauberperspektive von weit oben gefilmt -, in der sich der Zug durch die weite, einsame Landschaft bewegt. Da gibt es die kleinen, intimen Momente mit fremden Menschen im Schlafwagenabteil. Und da gibt es die pittoreske Mischung der Fahrgäste, die sich im Speisewagen treffen. Solange Brad Andersons Film "Transsiberian", der fast die ganze Zeit über während einer langen, langen Eisenbahnfahrt durchs verschneite Sibirien spielt, sich mit dem Motiv des Reisens beschäftigt, ist auch alles gut.

Doch dann ist "Transsiberian" auch ein düsterer Thriller, mit Drogenschmuggel, Russenmafia und Ben Kingsley als lange Zeit noch charmantem Oberbösen. Und "Transsiberian" ist auch noch ein Film über ein modernes, gefährdetes amerikanisches Paar, das auf der langen Reise zu sich selbst finden will und auf dem Weg Versuchungen, Überraschungen und Abenteuern ausgesetzt ist (sehr überzeugend: Woody Harrelson und Emily Mortimer als Paar, den Verführer spielt Eduardo Noriega).

Das ist dann doch etwas zu viel. Im Zweifel packt Anderson immer eine Schippe zu viel drauf - die einzelnen Bilder geraten zu groß, die ganze Dramaturgie ist überladen. Der Film steht zu sehr unter Dampf, könnte man in Analogie zu einer guten, alten Dampflokomotive gesagt. Ein bisschen Gemütlichkeit hätte dem Film wahrscheinlich gutgetan, etwas mehr Zurückgelehntheit. Vollends gerät der Film dann bei einer schrecklichen Folterszene und beim Showdown, wo die russischen Statisten zeigen müssen, wie abgrundtief böse Menschen werden können, aus dem Gleichgewicht. Das ist zu dick, zu klischeehaft, zu vordergründig.

Der Film sieht aus, als wolle Brad Anderson den Schritt zum großen Blockbuster-Regisseur erzwingen. Das hat nicht so recht geklappt. Gut möglich, dass ihm bei alledem zwei Topoi zu sehr durch den Kopf spukten: dass man bei Filmen in Russland immer irgendwas mit russischer Seele zeigen muss und dass so eine lange Eisenbahnfahrt stets eine Reise ins Herz der Finsternis und zugleich ins Unbewusste der Hauptfiguren sein muss. Es sind diese beiden Klischees, die "Transsiberian" bei allem Talent zur Schauspieler- und Szenenführung wie am Reißbrett entworfen aussehen lassen.

DIRK KNIPPHALS

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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