Kampf gegen das Artensterben: Hausaufgaben für Deutschland

Die Umweltbewegung stellt Bund und Ländern einen Monat vor dem UN-Gipfel zur Biodiversität ein verheerendes Zeugnis aus.

Müssen beim Wildwechsel vorsichtig sein. Das liegt auch am fehlenden Biotopverbund in Deutschland. Bild: ap

BERLIN taz Zu viel Flächenverbrauch, zu wenig Naturschutzgebiete - Natur- und Umweltverbände haben Deutschland ein verheerendes Zeugnis ihrer Naturschutzpolitik ausgestellt. Einen Monat vor dem UN-Weltgipfel zur biologischen Vielfalt legten sie einen Zehn-Punkte-Katalog mit Forderungen vor, um den Gastgeber auf den richtigen Pfad zu bringen.

Bei der UN-Konferenz beraten Mitte Mai in Bonn rund 170 Länder darüber, wie sie das weltweite Artensterben bis 2010 deutlich bremsen wollen. Derzeit sterben täglich etwa 150 Arten aus. Der Verlust ihrer Lebensräume schädigt oft auch das Klima und verursacht Armut der örtlichen Bevölkerung. "Auch Deutschland hat einen großen Nachholbedarf bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt im eigenen Lande", sagte DNR-Präsident Hubert Weinzierl. Um ihre Konsumbedürfnisse zu decken, nähmen die Deutschen eine Fläche von der doppelten Größe der Bundesrepublik in Anspruch. Sie importierten zum Beispiel Biomasse aus Palmöl für Agrosprit. Weinzierl: "Damit tragen die Deutschen zur Zerstörung der besonders artenreichen Regenwälder bei." Eine Forderung des Katalogs ist deshalb, die Einfuhr von Biomasse zu stoppen.

"Nur 0,5 Prozent des deutschen Territoriums sind noch ungenutzt", kritisierte Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands (BUND). Agrarminister Horst Seehofer (CSU) wolle trotzdem die industrielle Landwirtschaft stärker als den Ökolandbau ausbauen, sein Verkehrskollege Wolfgang Tiefensee (SPD) weitere Flüsse begradigen. Zwei zentrale Forderung des Katalogs: diese Politik ändern. "In der Bundesrepublik wird weiter Torf abgebaut, obwohl die Moore das klimaschädliche Kohlendioxid speichern", so Weiger. Die Regierung müsse eingreifen.

Hans-Joachim Mader vom Naturschutzbund (Nabu) nahm die Bundesländer ins Visier: "Vor allem Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen torpedieren das europaweite Netz von Naturschutzgebieten ,Natura 2000'." Der Bund wolle den Ländern zwar Naturschutzflächen übertragen, aber keiner sei bereit, die Kosten etwa für Förster in den Gebieten bezahlen.

Jürgen Maaß, Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), wollte sich nicht zum Streit äußern, wer welche Defizite zu verantworten habe. "Im November hat das Kabinett eine nationale Strategie zur biologischen Vielfalt verabschiedet. Damit hat Deutschland eine internationale Vorreiterrolle übernommen." Man werde sich darüber freuen, wenn die Umweltverbände bei der Verwirklichung dieses Planes helfen.

Die Biologin Christine von Weizsäcker von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler lobt die Strategie der Bundesregierung: "Der Plan schreibt nicht nur den Naturschutz, sondern auch eine gerechte Verteilung der Gewinne aus der Nutzung der biologischen Vielfalt fest". Bisher, so von Weizsäcker, "ist noch zu wenig Zeit vergangen, um abzusehen, wie die Strategie umgesetzt wird".

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