Löw erklärt deutschen Erfolg: Die große DFB-Richtigmachershow

Das deutsche Team steht im Endspiel. Das erstaunt manchen, der sie am Mittwoch spielen sah. Dusel? Zufall? Trainer Löw kennt den wahren Grund: die Arbeit seines Stabes.

Woran hat Löw eigentlich gearbeitet? Am schönen schnellen Spiel nach vorne zumindest nicht!

Jetzt also das Finale. Auf das freut er sich, der Bundestrainer. Dass die Deutschen es erreicht haben, für Joachim Löw ist es das logische Ergebnis der Arbeit, die die Mannschaft geleistet hat, seit er mit dabei ist. "Bei den letzten beiden Turnieren standen wir im Halbfinale", erinnerte er an den Confed-Cup vor drei Jahren, an das WM-Halbfinale vor zwei Jahren. Jetzt sei man einfach "reif" gewesen für das Endspiel. Ganz einfach. Der fleißige Bauer steht vor einer großen Ernte. Wie war das gleich mit dem dümmsten Bauern, der die größten Kartoffeln erntet?

Fassungslos über den deutschen Erfolg, fragte ein BBC-Reporter - klar, ein Brite -, wie dieser Finaleinzug nach einem schlechten Spiel denn möglich gewesen sei. Der Bundestrainer sprach von "Siegermentalität". Aber auch die hätte man sich im Wissen um die großen hart erkämpften Siege der Vergangenheit erst wieder erarbeiten müssen. Die große DFB-Richtigmachershow der vergangenen drei Wochen, sie fand am Donnerstag in Tenero ihre Fortsetzung.

Ja, Joachim Löw, er lobte auch den Gegner vom Mittwoch. Ein kleines Dankeschön schickte er an die Türken, die einen derart kämpferischen Auftritt hingelegt hätten, dass seine Spieler endlich den unbedingten Willen zeigen konnten, der "uns, glaube ich, in vielen Spielen der letzten zwei Jahre ausgezeichnet hat".

Der Sieger konnte also nur Deutschland heißen, zumal die Türken gegen Ende der Partie "stehend k.o." gewesen seien. Aha. Wieder etwas richtig gemacht. Nachfragen, die Fitness betreffend, die sich während des Spiels geradezu aufgedrängt hatten, erübrigten sich. Der große Kritikabbügler Löw, er hatte wieder einen großen Tag. Seines Stabes Arbeit hat die DFB-Elf ins Finale gebracht.

Die lässigen Auftritte der Spieler vor dem Match gegen die Türkei zeugten fast schon von Missachtung des Gegners. Türkische Medienvertreter zeigten sich entsetzt darüber, dass der Bundestrainer so tat, als interessiere es ihn nicht, wie der Halbfinalgegner aufgestellt ist. Ja, Hamit Altintop, "der hat ganz gut gespielt", sagte Michael Ballack. Und sonst? Fast schien es, als habe er keine Ahnung gehabt, wer ihn im Mittelfeld erwartet.

Vor dem Spiel gegen Kroatien war das nicht anders. Die wurden einerseits als Mitfavorit bezeichnet und andererseits schwächer geredet als die wirklich schwachen Polen. Und hinterher? Dann verliert man halt. Joachim Löw: "Das ist doch klar, dass man diese Konstanz nicht über ein ganzes Turnier halten kann." Aber die Deutschen verlieren richtig - sie verlieren in der Vorrunde. Auch darauf weist Löw schon seit Tagen hin. Vergesst die Niederlande, Portugal und die Kroaten!

Nur eines war nicht ganz kalkulierbar, das musste Joachim Löw immerhin zugeben: der Druck. "Dem haben wir uns nicht immer entziehen können", sagte er. Der böse Druck, der von außen an die Mannschaft herangetragen wird, der hineindringt in die Hirne der Spieler, der sich nicht abhalten lässt vom Wachpersonal des Hotels oder dem blickdichten Zaun des Trainingsgeländes. Natürlich haben die Spieler ihm letztlich standgehalten. Warum? Löw: "Weil wir im mentalen Bereich unheimlich viel gearbeitet haben." Die Botschaft ist klar: Den Deutschen kann niemand und nichts etwas anhaben.

Dass dies auch im Finale so sein wird, daran hegt der Bundestrainer keinen Zweifel. Wieder sprach er von der Arbeit. Die sei zwar unheimlich schwer gewesen, aber sie sei immerhin getan. Die Spieler seien auf unterschiedlichen Fitnessniveaus gewesen, als sie vor fünf Wochen zusammengekommen seien. Das Problem habe gelöst werden können. Jetzt müsse man nicht mehr viel machen. "Ein bisschen was im technischen Bereich" wird noch trainiert. Und auch der böse Druck, "der ist jetzt weg". Jetzt gehe es darum, das Finale zu genießen. Er will, dass man jedem Spieler die Freude, im Endspiel stehen zu dürfen, ansieht.

Der Gegner, er interessiert nicht weiter. Die Arroganzmaschine DFB läuft auf Hochtouren. Der Bundestrainer wird wohl wissen, dass bei all der Freude über den großen sportlichen Erfolg genau das in den Hintergrund treten wird, worüber er selbst in der Zeit vor der Europameisterschaft so gerne gesprochen hat: das schöne, schnelle Spiel nach vorne. Die Deutschen gewinnen wieder, weil sie Deutsche sind.

War es wirklich das, woran Joachim Löw zwei Jahre gearbeitet hat?

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