Bankchef Herrhausen ermordet

Der Chef der Deutschen Bank ist gestern Opfer eines Bombenattentats in Bad Homburg geworden. Ein "Kommando Wolfgang Beer" bekannte sich zu der Tat.

Berlin (taz/dpa/ap) - Der mächtigste Mann der deutschen Wirtschaft und Vorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, ist gestern Opfer eines Bombenanschlages geworden. Sein Fahrer wurde schwer verletzt. Unter dem Zünder der Bombe wurde ein Blatt Papier mit einem fünfzackigen Stern, dem Abbild einer Kalaschnikow und den Worten "Kommando Wolfgang Beer" gefunden.

Parteien und Wirtschaftverbände verurteilten gestern einhellig das Attentat, zeigten sich entsetzt und fassungslos. Generalbundesanwalt Rebmann in der 'Tagesschau': "Es ist außerordentlich bedauerlich, daß Herr Herrhausen zum Ausleben kam". Im Zusammenhang mit dem Anschlag veröffentlichte die Polizei am Abend einen Fahndungsaufruf nach dem 1958 geborenen Christoph Eduard Seidler. In gleichem Zusammenhang wird auch nach weiteren zehn Personen gefahndet, die der RAF zugerechnet werden. Für Fahndungshinweise werden insgesamt vier Millionen Mark aufgeboten. Innenminister Schäuble erklärte gestern abend, "alle demokratischen Kräfte müssen nun in der Abwehr des Terrorismus zusamenstehen".

Als Kanzler Kohl die Nachricht vom Tode Herrhausens erreichte, verzichtetet er auf eine an Vormittag vorbereitete Rede vor dem Düsseldorfer Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Der "feige Anschlag", so Kohl, sei nicht nur gegen Herrhausen gerichtet gewesen: "Das Attentat richtet sich gegen unsere demokratische Verfassung - und damit gegen uns alle".

Aufgrund des Tathergangs vermutet die Karlsruher Bundesanwaltschaft die Täter in den Reihen der "Rote Armee Fraktion" (RAF). Gegen Wolfgang Beer, dessen Namen die Attentäter verwendeten, hatte das Stuttgarter Landeskriminalamt wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er war 1980 bei einem Autounfall zusammen mit dem gesuchten RAF-Mitglied Juliane Plambeck in der Nähe Stuttgarts ums Leben gekommen. Der Bruder Henning Beer wird seit 1985 als mutmaßliches RAF -Mitglied gesucht.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft nannte es "atypisch", daß in dem Bekennerschreiben im Gegensatz zu früheren Anschlägen keine inhaltliche Begründung gegeben werde. Der Hergang, so die Bundesanwaltschaft weiter, zeige aber deutliche Parallelen zu einem RAF-Anschlag auf den Siemens -Manager Karl-Heinz Beckurts vom 9.Juli 1986. Damals war ein Sprengsatz in einem Fahrradanhänger untergebracht worden und ebenfalls mit einer Fernsteuerung zur Explosion gebracht worden.

Die Bombe explodierte um 8.34 Uhr im Kurviertel der Taunusstadt. Der 59jährige Chef der Deutschen Bank, einer best-bewachten Männer der Bundesrepublik, befand sich in Begleitung zweier Sicherheitsfahrzeuge auf dem Weg in die Frankfurter Bankzentrale. Beim Passieren des Freizeitbades "Taunus-Therme" detonierte der selbst gebaute Sprengsatz, der am Straßenrand deponiert war. Möglicherweise diente dabei ein Fahrrad zur Tarnung. Alfred Herrhausen war sofort tot.

Nach letzten Erkenntissen der Bundesanwaltschaft wurde die Bombe aus etwa 100 Metern mit einer Fernsteuerung scharf gemacht und die Explosion dann mit einer Lichtschranke ausgelöst. Das Ermittlungsverfahren haben Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt übernommen.

Die Polizei fahndet nach einem etwa 1,80 Meter großen Mann, der zuerst zu Fuß und anschließend in einem weißen Lancia vom Typ "fire" mit gefälschtem Frankfurter Kennzeichen geflohen sein soll.

BKA-Chef Gerhard Boeden wollte gestern abend in einem Fernseh-Interview einen Zusammenhang zwischen einem Mitte November in der taz veröffentlichten Brief des RAF -Gefangenen Helmut Pohl und dem Anschlag konstruieren. Pohl hatte mit dem Schreiben einen "Schlußstrich" unter den gescheiterten Hungerstreik gezogen. Die Initiative, die die Gefangenen für die Zeit des Hungerstreikes auch außerhalb der Gefängnisse an sich gezogen hätten, sei nun "wieder abgegeben". Der ergebnislose Hungerstreik habe gezeigt, "daß Veränderungen nur erreicht werden, wenn man in den Mechanismus, nach dem das ganze funktioniert, hineintrifft. Die Kosten müssen höher getrieben werden als der Profit, den sie sich versprechen". Im Bonner Innenministerium wurden dagegen Vorwürfe zurückgewiesen, nach denen konkrete Hinweise auf den Anschlag nicht ausreichend berücksichtigt worden wären.

In Bonn stieß das Attentat gestern auf tiefe Abscheu und Empörung. Außenminister Genscher zeigte sich in Paris von dem Anschlag tief erschüttert. Der Deutsche-Bank-Chef sei einer der "hervorragenden Repräsentanten einer verantwortungsvollen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik" gewesen. Trauer und Empörung äußerte auch der Zentralrat der Deutschen Bundesbank. Der Bundesverband der deutschen Industrie erinnerte daran, daß die deutsche Wirtschaft nach Jürgen Ponto, Hanns-Martin Schleyer, Ernst Zimmermann und Karl-Heinz Beckurts einen weiteren "herausragenden Repräsentanten durch einen entsetzlichen Terroranschlag" verloren habe. Bundesjustizminister Engelhard erklärte, gerade jetzt, wo die

Welt angesichts der Ereignisse in Polen, Ungarn, der DDR und der Tschechoslowakei an einem historischen Wendepunkt stehe, sei "diese neuerliche Freveltat an Wahnsinn nicht mehr zu überbieten".

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