Die hohe Schule der Internetzensur: Tibet? Kein Treffer.

Die chinesische Regierung hat - wie andere Zensurstaaten auch - die Internet-Kontrolle perfektioniert. Tauchen subversive Berichte auf, werden populäre Websites wie YouTube kurzerhand abgeklemmt.

China beheimatet die größte Online-Population der Welt - um da nicht außen vor zu sein, zensieren die Suchmaschinen sich gern selbst. Bild: dpa

Wer wissen möchte, auf was die Web-Nutzer in China alles verzichten müssen, kann seit einiger Zeit ein Prüfwerkzeug verwenden, das von Shanghai, Peking oder Hong Kong aus untersucht, ob eine Internet-Adresse in dem Riesenreich nutzbar ist oder derzeit blockiert wird. Wenn es um Nachrichten aus der annektierten Provinz Tibet geht, sieht es eher schlecht aus: Der "Website-Test hinter der großen Firewall von China", der die aktuelle Internet-Situation in den chinesischen Städten widerspiegelt, indem er von dort aus einfach das Netz abfragt, zeigt erwartungsgemäß eine zensierte Weltsicht an.

BBC-Nachrichten? Keine Chance. Google News? Nur das Angebot mit den explizit staatlich kontrollierten Medien, Google News China, ist erlaubt. Human Rights Watch? Nichts da. Selbst beim politisch unverdächtigen Fotodienst Flickr müssen die Chinesen draußen bleiben, schließlich könnten Bilder von Polizeiopfern veröffentlicht werden. Und Bloggen über die US-Dienste Typepad oder Vox ist ebenfalls verboten, der Dienst Blogspot ist zwischenzeitlich immer wieder offline. Und auf neue Entwicklungen reagieren die in einer eigens geschaffenen Behörde sitzenden Zensoren prompt: Als kürzlich Videos von Gewalttaten gegen tibetische Mönche auf YouTube auftauchten, wurde gleich der ganze Server gesperrt. Seither können chinesische Web-User nur noch in China registrierte Video-Dienste nutzen, die streng darauf achten, dass nur Unkritisches online geht. Politisches findet man bei den auch in Peking oder Shanghai populären Minifilmchen-Portalen aus landeseigener Produktion überhaupt nicht - Katzen- und Hunde-Videos sind unverfänglicher.

Aber die chinesischen Zensoren sind keineswegs die einzigen Regierungsstellen auf diesem Planeten, die die Internet-Kontrolle perfektioniert haben. Zuletzt erwog die iranische Regierung, trotz vieler meinungsstarker Blogs im Iran einfach anlässlich der Wahl das gesamte Netz abzuschalten. Das geht, weil die Regierung die großen Provider und ihre Außenanbindung in den Rest der Welt kontrolliert. Zwar kann man Tricks verwenden, um die Sperren zu umgehen. Doch die sind meist so kompliziert oder auch mit Gefahren der Verfolgung verbunden, dass sich die Nutzer mit dem Zustand zufrieden geben. Projekte im freien Ausland, etwa das kanadische Universitätsvorhaben "Psiphon", versuchen deshalb, die Nutzung der Anti-Zensur-Technik zu vereinfachen - doch sie arbeiten im ständigen Wettlauf mit den Zensoren.

Auch in westlich orientierteren Ländern wird das Internet kontrolliert. Im "arabischen Märchenreich" Dubai können nur Firmen, die in der Freihandelszone "Internet City" sitzen, ohne Filter auf das Netz zugreifen. Die Blockadetechnik wird recht willkürlich verwendet: So sind laut Koran beispielsweise Sex-Angebote genauso verboten wie der Internet-Telefonie-Dienst Skype, weil der den örtlichen Telekomfirmen Konkurrenz machen könnte. Manchmal hat die Zensur auch unbeabsichtigte Konsequenzen in der freien Welt: Als Pakistan neulich versuchte, YouTube wegen "blasphemischer Umtriebe" in einem Video zu zensieren, gaben Provider den Zensurbefehl nach außen weiter, so dass der Dienst plötzlich auch in Deutschland und Amerika nicht mehr zu erreichen war.

Doch besonders perfekt arbeitet das System in China, denn Zensoren und Medien arbeiten Hand in Hand. Wird dort in diesen Tagen über Tibet berichtet, setzt sich die aus dem Staatsfernsehen leidlich bekannte Propaganda auch im Internet fort: Die Mönche sind die Aufrührer, die Menschen in Lhasa und anderswo - insbesondere die zugezogenen Chinesen - müssen darunter leiden. "Nur dank dem beherzten Polizeieinsatz wird die Ordnung wieder hergestellt", heißt es in Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die stellt auf populären Internet-Portalen wie Sina und Sohu gleich den einzigen Dienstleister mit Neuigkeiten aus der umkämpften Region. Sucht man in der größten Suchmaschine des Landes, Baidu, nach dem Namen des Landes, tauchen keine Nachrichten auf. Und selbst wer unter Verwendung passender Suchbegriffe auf Treffer stößt, muss feststellen, dass die darunter liegenden Seiten plötzlich aus dem Netz verschwunden sind. Nicht dass die chinesischen User die Situation ignorieren würden: In dieser Woche war "Tibet" immerhin in der Top 5 der bei Baidu am Tag eingetippten Suchbegriffe. Nur gefunden wird eben nichts - oder nur die von den Zensoren verordnete Propaganda.

Das Ergebnis ist, dass der Regierung das zu gelingen scheint, nach dem sie trachtet: Viele Chinesen sind schlicht nicht darüber informiert, dass derzeit ein Freiheitskampf in Tibet tobt oder interessieren sich nicht dafür, weil ihnen nur die staatliche Sicht der Dinge vorliegt. Dass die Proteste von Lhasa längst in andere Provinzen überspringen, wissen nur die, die in der Region leben. Viel Druck muss die Regierung derweil nicht ausüben: Es herrscht ein Klima der Selbstzensur, das insbesondere bei den großen Internet-Portalen vorherrscht (an denen zum Teil ausländische Firmen beteiligt sind). Derweil wird mit den Mitteln des Internet aber auch der Hass geschürt: Erlaubt ist durchaus, die "tibetischen Separatisten" in Online-Foren zu beschimpfen und ihre "Ausrottung" zu fordern. Eine entsprechende Diskussionsgruppe auf dem Portal Sina erreichte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur "AFP" fast 30.000 einzelne Postings mit zum Teil drastischen Aussagen.

China beheimatet inzwischen die größte Online-Population der Welt. Bei der Zensur des Netzes setzt das Land auf eine Kombination aus Soft- und Hardware zum direkten Eingriff in das, was die Nutzer sehen können, und auf Selbstverpflichtungen der lokalen Anbieter. Sobald ein einziger Server in dem Land steht, muss sich der Betreiber an die Regeln halten. Ausländische Firmen geben sich erstaunlich zahm: So lässt Google bei seiner in China beheimateten Suchmaschinen-Variante Zensur zu, um in dem riesigen Markt mitmischen zu dürfen.

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