Chaos Computer Club-Treffen: Hacker gegen Müdigkeit

Der Chaos Communication Congress will die Datenschutzbewegung reanimieren: Größere Zusammenhänge sollen den Bürgern erklärt werden.

"Viele halten uns für eine Art paranoide Hypochonder", meint Technikphilosoph Gaycken. Bild: ap

Der Kongress schnarcht. Auf grauen Sofas, zusammengeschobenen Stühlen und Sesseln. Rotes Schummerlicht lässt die Umrisse der Schläfer erahnen. Sie kommen aus Denver/USA und Wanne-Eickel im Ruhrgebiet. Sie sind Hacker, Computerbastler, Wissenschaftler und ruhen sich auf dem 24. Chaos Communication Congress in Berlin aus, der bis Sonntag dauert.

Eine Erholungspause soll der Kongress für die 3.000 Besucher sein, denn die Bewegung gegen staatliche Überwachung ist müde geworden. Im Jahr 2007 stand zwar viel über Bundestrojaner und überwachte Telefone in den Zeitungen. Trotzdem hat der Bundestag einem Gesetz zugestimmt, laut dem ab 2008 ein halbes Jahr lang gespeichert wird, wer mit wem wie lange telefoniert oder per Internet Kontakt hat. "Wenn Politiker wider besseres Wissen abstimmen, ist das frustrierend", sagt Frank Rosengart vom Chaos Computer Club, der den Kongress organisiert. "Niemand kann mehr sagen, er hätte von den Gefahren nichts gewusst, aber unsere Proteste und Lobbyarbeit hatten auch keine positiven politische Entscheidungen zur Folge."

Angesichts dessen mache sich Ratlosigkeit breit und deshalb soll der Kongress frische Ideen für das nächste Jahr liefern. "Es ist ja nicht nur so, dass die Aktivisten nicht so recht wissen, wie es weitergehen soll", sagt der Technikphilosoph Sando Gaycken von der Universität Bielefeld, "auch viele politisch interessierte Menschen sind zwar sensibilisiert, wissen aber nicht, was sie tun sollen." Gaycken glaubt deshalb, dass sich Organisationen wie der Chaos Computer Club stark verändern müssen: "Wir brauchen viel mehr Angebote, bei denen sich Menschen außerhalb unserer kleinen Gruppe von Experten beteiligen können - Proteste, Unterschriftensammlungen oder Kampagnen."

Außerdem fordert Gaycken, dass die Technikbastler nicht mehr nur erklären, warum dieser Chip oder jene Kamera gefährlich werden könnte. "Das hören die Leute zwar, aber es interessiert sie nicht, viele halten uns für eine Art paranoide Hypochonder, die Gefahren sehen, wo keine sind." Deshalb sollten die Bürgerrechtler größere Zusammenhänge zeigen und konkrete Gefahren benennen. "Studien zeigen, dass stark überwachte Personen Probleme haben, eigene ethische Maßstäbe zu entwickeln", sagt Gaycken, "wir müssen solche Expertisen populär machen, so wie die Wissenschaftler in den 70ern die Gefahren der Atomkraft."

Konkret will es auch Markus Beckedahl vom Bürgerrechtsblog Netzpolitik.org. Er hält am Freitag einen Vortrag mit 23 Vorschlägen, staatlicher Überwachung zu begegnen. Beckedahl schwebt ein Netzwerk vor, in dem jeder macht, was er am besten kann: "Wer etwas von Design versteht, kann Banner für die Datenschutzbewegung entwerfen, wer Ahnung vom Programmieren hat, der könnte Werkzeuge bauen, mit denen auch der Normalbürger sich gegen Überwachung wehren kann."

Für die große Menge der Menschen, die das technische Know-how für solche Arbeiten nicht mitbringen, bleibe immer noch das Spenden. "Der Ruf nach Geld wird immer misstrauisch aufgenommen", sagt Beckedahl, "aber solange die Bürgerrechtsbewegung in Deutschland nur ehrenamtlich funktioniert, kommen wir nicht gegen die gut bezahlten Lobbyisten der Gegenseite an."

Dass die Datenschützer einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich haben, bezweifeln sie nicht. Über 25.000 Menschen wollen gegen die sechsmonatige Speicherung von Verbindungsdaten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Wie die Bürgerrechtsorganisation AK Vorratsdatenspeicherung der taz mitteilte, sollen die Klagen wahrscheinlich noch in dieser Woche eingereicht werden.

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