Entführungsvorsorge in Mexiko: Implantat gegen die Angst

Reiche Mexikaner bezahlen Tausende Dollar für die Einpflanzung kleiner Funksender, mit denen sie im Fall einer Entführung schnell aufgefunden werden können - aber sonst eventuell auch.

Der Mikrochip ist nicht größer als ein Reiskorn. Bild: dpa

Mexiko ist ein gefährliches Pflaster. Laut Statistik der örtlichen Strafverfolgungsbehörden aus dem südlichen Nachbarland der USA nahm die Rate der Kidnapping-Versuche innerhalb von fünf Jahren um deutlich mehr als ein Drittel zu. Betroffen sind insbesondere wohlhabende Bürger, doch auch Mitglieder der wachsenden Mittelschicht werden zunehmend von Kriminellen entführt, um hohe Lösegelder zu erpressen. Wird nicht gezahlt oder mit der Einschaltung der Polizei reagiert, zögern die Gangster nur selten, ihre Opfer zu töten - zuletzt traf es unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Fernando M., den Teenager-Sohn eines im ganzen Land bekannten Industriellen.

Die Furcht vor Entführungen ist inzwischen so groß, dass Sicherheitsunternehmen enorm viel Zulauf erhalten - sie sollen die Menschen schützen oder im Notfall diskret dabei helfen, sie wieder zu finden. Doch es gibt auch neuartige technische Ansätze, die Gefahr von Kidnappings zu bannen oder zumindest zu reduzieren. Xega, ein Security-Konzern, der in den letzten zwölf Monaten ein zweistelliges Umsatzwachstum verbuchen konnte, verkauft seit kurzem einen Mikrochip, den sich potenzielle Entführungsopfer unter die Haut einpflanzen lassen können - zumeist steckt er im Arm. Das Mini-Gerät besteht aus einem Sender, über den der Träger in Verbindung mit einer Zusatzkomponente per Satellit geortet werden kann.

Was man bislang nur zum Tracking von Autos oder teuren Wertgegenständen kannte, erfreut sich in Mexiko bei reichen Bürgern nun direkt am Mann/an der Frau zunehmender Beliebtheit. Mehrere Tausend Dollar zahlen sie für den in ein biokompatibles Material verpackten Chip, der mit einer Spritze unter die Haut gepresst wird. Er ist nicht größer als ein Reiskorn. Ein zweites mit einem GPS-Sender ausgestattetes Gerät stellt dann die Verbindung zum Satelliten her. Drückt das Opfer im Entführungsfall einen Panik-Knopf an der nicht ganz Handy-großen Komponente, werden seine Daten übermittelt. Xega will bereits mehrere Tausend Kunden haben - wie viele davon sich tatsächlich zur Implantation des Chips entschieden haben, ist allerdings unklar, denn die Technik funktioniert auch allein mit dem GPS-Sender. Die Leitung des Unternehmens war selbst von einem Entführungsfall betroffen und entschied deshalb, eine bislang nur für Fahrzeuge entwickelte Tracking-Technologie für den Menschen anzupassen, heißt es in der offiziellen Firmengeschichte.

Technisch gesehen unterscheidet sich der einpflanzbare Mikrochip nicht von Komponenten, die Hunden oder Katzen unter die Haut gespritzt werden, damit sie zweifelsfrei identifiziert werden können, falls sie einmal weglaufen. In vielen europäischen Ländern ist dies bei Haustieren inzwischen Pflicht, um bei Grenzübertritt den Impfstatus zweifelsfrei überprüfen zu können. Auch dieser Chip wird inzwischen mit GPS-Technik kombiniert, ein entsprechender Sender sitzt dann beispielsweise am Halsband eines Hundes. Über das Internet lässt sich darüber dann nachverfolgen, wo sich das entlaufene Tier derzeit aufhält.

Kritiker der Xega-Technik meinen, dass das Implantat nur ein Gimmick sei - die Technik funktioniere auch allein mit dem außerhalb des Körpers befindlichen Satellitensender. Genau den könnten Gangster problemlos identifizieren und gegebenenfalls zerstören. Denn: Noch sei es nicht möglich, Elektronik so klein herzustellen, dass komplexe Komponenten wie ein Satellitensender preiswert eingepflanzt werden könnten. Xega ficht das nicht an - das Unternehmen will seine Technik bald auch in anderen südamerikanischen Staaten wie Kolumbien anbieten. Neben den Kosten für das Implantat fallen rund 2000 Dollar "Jahres- und Servicegebühr" für die Dienstleistung an.

Die Chip-unter-der-Haut-Technik wird in anderen Ländern bereits zu anderen Zwecken vermarktet. So verkauft das US-Unternehmen VeriChip sie als Methode, verwirrte alte Menschen aufzufinden oder Patienten in Krankenhäusern zweifelsfrei zu identifizieren. Bürgerrechtler und Privatsphärenaktivisten warnen regelmäßig vor den möglichen Auswirkungen auf den Datenschutz - "gechipte Menschen" könnten stets und überall nachverfolgt werden.

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