Datenschützer über Telekom-Überwachung: "Notfalls auf die Finger schlagen"

Es wäre sinnvoll, wegen der Telekomspitzelei Vorratsdaten nicht zu speichern, rät Datenschützer Thilo Weichert.

Nur nach außen transparent: Fassade des Bahn-Towers in Berlin. Bild: rtr

taz: Herr Weichert, nach dem Telekom-Skandal haben viele Politiker härtere Sanktionen gefordert. Zu Recht?

Thilo Weichert: Nein. Wir brauchen keine härteren Strafen. Wir haben im Datenschutz vor allem ein Vollzugsproblem, das heißt: Die Verstöße werden meist erst gar nicht entdeckt.

Sie sehen also nicht die Gefahr, dass die Telekom am Ende mit Geldbußen davonkommt, die sie aus der Portokasse zahlt?

So, wie es aussieht, haben die Verantwortlichen für diesen Skandal schwerwiegende Straftaten begangen. Wenn Mitarbeiter einer Telefonfirma das Fernmeldegeheimnis verletzen, drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Das scheint mir eigentlich abschreckend genug.

Wie wollen Sie das Vollzugsdefizit beheben? Mithilfe von Datenschutzbeauftragten im Betrieb?

Schon heute muss jeder Betrieb, der Datenverarbeitung betreibt und mehr als zehn Beschäftigte hat, einen fachkundigen Mitarbeiter als betrieblichen Datenschutzbeauftragten benennen. Dieser hat auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen zu drängen. Aber er ist nicht wirklich Kontrolleur, sondern eher ein Berater des Unternehmens.

Wer kann effektiver kontrollieren?

Die externen staatlichen Datenschutzbeauftragten. Für die Privatwirtschaft sind die Beauftragten der Länder zuständig. Im Bereich der Telekommunikation ist es allerdings der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Hätte Schaar der Telekom besser auf die Finger schauen müssen?

Wie sollte er das tun? Er ist, wie alle Datenschutzbeauftragten, katastrophal schlecht ausgestattet. Wenn die Gesellschaft ernstzunehmende Kontrollen will, muss sie auch die Mittel dafür bereitstellen.

Die Opposition fordert den Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung. Bringt das mehr Datenschutz?

Natürlich. Wenn Verbindungsdaten gar nicht erst gespeichert werden - und bei Flatrate-Kunden gibt es dafür keinen Grund mehr - können sie auch nicht zum Ausspionieren von Kunden missbraucht werden. Aber der Verzicht auf die obligatorische Vorratsdatenspeicherung löst natürlich nicht alle Probleme. Der Telekom-Skandal fand ja statt, bevor die Speicherung Pflicht wurde. Damals wurden die Verbindungsdaten von der Telekom nur zu Abrechnungszwecken gespeichert - und auch missbraucht.

Die Telekom hat sogar Bewegungsprofile erstellt. Wie kam sie an die Daten dafür?

Die hat sie wohl von ihrer Tochter T-Mobile erhalten. Dort gab es zwar keinen Grund, Standortdaten zu speichern, weil sie für die Abrechnung noch nie benötigt wurden. Viele Mobilfunkfirmen haben die Standortdaten aber trotzdem - widerrechtlich! - festgehalten. Erst seit Jahresbeginn müssen die Standortdaten für die Vorratsdatenspeicherung sechs Monate lang festgehalten werden.

Was halten Sie von der Forderung, Verbindungs- und Standortdaten künftig von Datenschutzbeauftragten speichern und verwalten zu lassen?

Damit würde vor allem die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von uns Datenschützern beeinträchtigt. Wir müssen den Datenverarbeitern auf die Finger schauen und - wenn nötig - auf die Finger schlagen. Beim vorgeschlagenen Modell würde dagegen der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Die Polizei hätte einen viel direkteren und damit bequemeren Zugriff auf Daten als bisher.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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