Wahl in Hamburg: Rechte Protestwähler für Linke

Ein Teil der Linkspartei-Kreuzchen stammt aus der Wählerschaft der rechtspopulistischen Schill-Partei. Hessische Linke erklärte indes, Ypsilanti mitzuwählen.

"Staubsauger" für Rechtspopulisten-Wähler: Linke-Chef Lothar Bisky (3.v.l.) Bild: dpa

BERLIN taz DKP. Stasi. War da was? Am Tag nach der Hamburg-Wahl möchte Linken-Chef Lothar Bisky das Thema zu den Akten legen: "Wir sind in den vierten westdeutschen Landtag eingezogen, und das ist ein tolles Ergebnis", sagt er.

Dabei lohnte es sich auch für Bisky, mal genauer anzuschauen, was die Wahlforscher herausgefunden haben. Nach einer Analyse des Umfrageinstituts Infratest dimap sind die neuen Wähler der Linkspartei bei weitem nicht nur abgewanderte Sozialdemokraten und Grüne oder reaktivierte Nichtwähler. Vielmehr stammt ein bedeutender Teil der Linkspartei-Kreuzchen aus dem Spektrum der früheren Schill-Klientel. Die Analyse der Wahlforscher ergab: Rund 17.000 ihrer insgesamt 50.000 Stimmen holte sich die Linke von der Gruppe der "Sonstigen" - das Gros dieser Wählergruppe hatte 2004 für Pro DM/Schill beziehungsweise für die Schill-Abspaltung Partei Rechtsstaatlicher Offensive votiert. "Die Linkspartei hat sich hier als Staubsauger betätigt", urteilt Infratest-Chef Hilmer.

Für Hilmer ist dieses Resultat nicht einmal besonders überraschend. Schließlich gebe es in Hamburg seit Jahren eine bedeutende Gruppe "vagabundierender" Protestwähler mit einem "Hang zum Populismus". Ein guter Teil von ihnen sei ursprünglich nicht politisch rechts orientiert gewesen, sondern frustriert von der SPD abgewandert. Als "neue Protestpartei" habe die Linke nun zahlreiche dieser Protestwähler in Hamburg für sich gewonnen.

Dafür spricht auch, dass die Linke überdurchschnittlich gut bei Männern, bei älteren Wählern zwischen 45 und 59 Jahren sowie bei Hauptschulabsolventen abschnitt. Bei den Arbeitslosen wurde sie nach der SPD sogar mit 19 Prozent der Stimmen auf Anhieb die zweitstärkste Kraft in Hamburg.

"Man hätte vermuten können, dass die Linke von der Zumwinkel-Diskussion profitiert", sagte Hilmer der taz. "Doch dieser Effekt wurde mehr als kompensiert durch die DKP-Diskussion." Laut den Wahlforschern bezeichneten 71 Prozent der Wähler die Nominierung von DKP-Politikern in Hamburg als "schwierig". Sogar jeder zweite Linkspartei-Wähler teilte laut Hilmer diese Bedenken. Immerhin 31 Prozent aller Befragten werteten die Stasi-Äußerungen der niedersächsischen DKP-Frau Christel Wegner als wichtig für ihre Wahlentscheidung. Die Zumwinkel-Steueraffäre stuften hingegen nur 22 Prozent der Befragten als relevant ein.

Das Wahlergebnis der Linken lag unterdessen bei der Hamburg-Wahl deutlich unter den Erwartungen. Von 8 bis 9 Prozent kündeten die Umfragen, bei 6,4 Prozent sind die Linken gelandet. Öffentlich mögen sich viele Linke damit aber nicht befassen. Bisky redet lieber über die maoistischen Wurzeln vieler Grüner. Und dass ein "neoliberales Ausgrenzungskartell" der anderen Parteien die Linke runterreden wollte. Parteiintern allerdings weiß man, dass die Stasi-Äußerungen geschadet haben - das sah die Mehrheit des Parteivorstands am Montag so.

Nach dem Wahlergebnis in Hamburg wird die Partei nach Aussage von Vorstandsmitgliedern zwei Auseinandersetzungen zu führen haben. Die eine dreht sich um die künftige inhaltliche Ausrichtung: Sozialstaatspartei mit den Rezepten der 70er-Jahre oder eine Linkspartei, bei der auch die Erfahrung aus ostdeutschen Regierungsbeteiligungen und grüne Ansätze zulässig sind?

Die andere Diskussion geht um das Verhältnis zur SPD. "Nachdem das SPD-Präsidium Becks Öffnung in unsere Richtung bestätigt hat, müssen wir uns bewegen", sagt ein Mitglied der Parteispitze. Parteichef Lothar Bisky machte den Sozialdemokraten bereits am Montag ein Angebot: "Wenn Frau Ypsilanti in Hessen antritt, gehe ich davon aus, dass unsere Leute sie wählen." Und zwar ohne vorherige Gespräche mit der SPD.

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