Ein Monatslohn für den Staat

FINANZKRISE Portugiesische Regierung schlägt dramatisches Sparprogramm zur Senkung der Schulden vor. Verzichten sollen alle von Arbeitslosen über Behinderte bis zu Rentnern

Gewerkschaft will Kanzlerin Merkel im November mit Großdemo empfangen

AUS MADRID REINER WANDLER

Die Portugiesen sollen weitere harte Einschnitte hinnehmen. Der Haushalt, den die konservative Regierung unter Pedro Passos Coelho zu Wochenbeginn vorlegte, sieht Steuererhöhungen von bisher nicht gekanntem Ausmaß und Kürzungen aller Sozialleistungen vor.

Damit soll das Haushaltsdefizit 2013 auf die von der Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) geforderten 4,5 Prozent gesenkt werden. Die Steuererhöhungen und Kürzungen ersetzen den Plan der Regierung, per Anhebung der Sozialabgaben um 7 Prozent allen Portugiesen einen Monatslohn zu nehmen. Diesen Plan musste Passos Coelho nach Protesten Ende September aufgeben.

Die neuen Maßnahmen der Regierung, die bis Ende des Monats vom Parlament beschlossen werden sollen, sehen Einsparungen von 5,3 Milliarden Euro vor, das entspricht 5,5 Prozent des portugiesischen BIP. 80 Prozent davon stammen aus neuen Steuereinnahmen und 20 Prozent aus einem weiteren Sparpaket.

Vor allem die Lohnsteuer wird reformiert. Statt bisher acht Stufen wird es fünf Einkommensklassen geben. Zudem sollen alle Portugiesen eine 4-prozentige Zusatzsteuer zahlen. Wer mehr als 80.000 Euro brutto pro Jahr verdient, kommt in die höchste Einkommensklasse, die bisher bei 153 Millionen Euro anfing, und zahlt weitere 2,5 Prozent.

Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung Jornal de Negócios verlieren die meisten portugiesischen Beschäftigten einen Monatslohn. Außerdem steigen Verbrauchsteuern wie die Tabaksteuer.

Auch die 16 Prozent Arbeitslosen werden zur Kasse gebeten. Sie verlieren 6 Prozent ihrer Stütze. Rentner mit mehr als 1.350 Euro pro Monat müssen ebenfalls 3,5 Prozent Einbußen hinnehmen. Schwerbehinderte verlieren 5 Prozent ihrer Unterstützung. Doch damit nicht genug. Im Bildungsbereich werden 6,5 Prozent eingespart und bei der Gesundheitsversorgung sind es sogar 19,5 Prozent.

„Wir haben keinen Handlungsspielraum“, verteidigt Finanzminister Vitor Gaspar die harten Einschnitte. Portugal zahlt mittlerweile mehr für die Zinsen der Staatsschulden als für alle Beamten und öffentlichen Angestellten zusammen. Kaum wurde der Haushaltsentwurf bekannt, versammelten sich spontan Tausende von Menschen vor dem Parlament, um gegen die „Liste der Grausamkeiten“ zu protestieren.

Die größte Gewerkschaft CGTP bereitet gleich drei große Protestaktionen für die kommenden Wochen vor. Für den 31. Oktober – den Tag der Haushaltsdebatte im Parlament – ruft die CGTP zu einem Protestmarsch. Am 12. November soll die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Großdemonstration empfangen werden und zwei Tage später ruft die CGTP zum dritten Generalstreik in den 16 Monaten der Regierung Passos Coelho. „Es ist an der Zeit, mit dieser Regierung Schluss zu machen, bevor sie mit den Menschen Schluss macht“, so CGTP.

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