Wind weht durch den Bambushain

DOKUMENTATION In „Breathing Earth – Susumu Shingus Traum“ begleitet Thomas Riedelsheimer den japanischen Konzeptkünstler bei seinen Versuchen, seine poetischen, nachhaltigen Projekte in aller Welt zu verwirklichen

Riedelsheimer findet einige der besten Momente des Films, wenn er sich von Shingus Blick auf die Dinge inspirieren lässt

VON WILFRIED HIPPEN

„Wenn die Menschen keine Träume haben, geschehen ihnen auch keine traumhaften Dinge.“ Der japanische Konzeptkünstler Susumu Shingu folgt diesem Credo auf seine ganz eigene, stille und dennoch radikale Art und Weise. Er untersucht in seinen Arbeiten den Wind und das Wasser in den vielfältigsten Zuständen.

Regisseur Thomas Riedelsheimer findet einige der besten Momente des Films, wenn er nicht direkt von Shingu erzählt, sondern sich von dessen Blick auf die Dinge inspirieren lässt. So gelingen ihm wunderschöne Aufnahmen von einem Bambushain, durch den der Wind weht, von einem Strudel, in dem sich weiße Farbe mit dem dunklen Wasser mischt oder einem riesigen Schwarm von Schmetterlingen, die in den kalten Monaten von Nordamerika in einen Wald in Mexiko ziehen. Dieses kongeniale Verschmelzen mit der Kunst eines anderen gelang Riedelsheimer allerdings noch natürlicher und deshalb eindrucksvoller in seinem Film „Rivers and Tides“ über die Naturprojekte von Andy Golfsworthy.

Shingus Arbeiten haben eine ähnliche Poesie, wenn etwa ein Insekt durch seine Aufwärtsbewegungen eine zarte Mechanik aus Metall in Gang hält, wenn er Flugdrachen durch Kinder bemalen oder auf einem seiner Bilder eine Erdbeere im Weltall schweben lässt. Riedelsheimer zeigt hier den Künstler als einen bescheidenen, eher introvertierten und behutsam wirkenden Mann, der sich für seine Projekte mit einer beeindruckenden Energie einsetzt. Ständig begleitet von seiner Lebenspartnerin begibt er sich auf eine Reise um die Welt, immer auf der Spur von Wind und Wasser.

In verschiedenen Ländern versucht er, sein Projekt „Breathing Earth“ zu verwirklichen, das eine Art utopischer Idealort ist, in dem Natur und Kunst ineinander aufgehen. Der Film zeigt, wie schwierig es für ihn ist, dieser Vision Gestalt zu geben. In Süditalien beißt er sich bei einer Präsentation an einem Lokalpolitiker die Zähne aus, der mit nicht erwünschter Konkurrenz und fehlenden Parkplätzen argumentiert. Doch an seiner Körpersprache wird deutlich, wie suspekt ihm dieser ausländische Künstler lediglich ist. Politiker und Förderer im Ruhrgebiet sind grundsätzlich positiv dem Projekt gegenüber eingestellt, doch auch ihr Engagement fruchtet nicht. In Schottland wird schließlich Shingus selbst entworfenes Windrad von einem Spezialisten für Windenergie als eine nette kleine Träumerei analysiert, deren geschöpfter Energie ein eher symbolischer Wert inneruht.

Von solchen Rückschlägen lässt sich Shingu jedoch nicht entmutigen, und tatsächlich sind es seine zielstrebige Gelassenheit und die Freude, mit der er jeden einzelnen Moment bis ins Letzte auszuschöpfen scheint, die dem Film solch eine positive Grundstimmung geben. Diese wird durch die kontemplative und organische Musik des Klangkünstlers Stephan Micus kongenial ergänzt. Vielleicht ist die Kunst von Susumu Shingu ja zu flüchtig, um in die feste Form eines Gebäudekomplexes gegossen zu werden. Dann käme dieser Film wohl seinem Traum am nächsten.