nato-gipfel
: Feldherren auf Trümmerfeldern

Weiter so! Nicht deshalb, weil die Richtung stimmt, sondern weil niemand den Mut aufbringt, zur Umkehr zu mahnen und Fehler einzugestehen. Was sich seit langem wie ein roter Faden durch die Innenpolitik zieht, beherrscht auch die internationalen Beziehungen. Die Beschlüsse, die auf dem Nato-Gipfel in Istanbul gefasst worden sind, zeugen von kollektiver Ratlosigkeit – und die drückt sich ausgerechnet in einem trotzigen „Jetzt erst recht!“ aus. Es ist kein beruhigender Gedanke, dass ein so mächtiges Militärbündnis offenbar von Lemmingen geführt wird.

KOMMENTARVON BETTINA GAUS

Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen werden in einer Erklärung, mit der die Geschlossenheit der Nato beschworen werden soll, wieder einmal als neue Bedrohungen bezeichnet. Die Allianz behauptet, auf diese Bedrohungen antworten zu wollen, wo immer sie entstehen. Das klingt vertraut. Dann mal los. Schafft ein, zwei, viele Irak. Oder ist die Erinnerung an den letzten US-Feldzug unfair, weil der Irak, wie wir inzwischen wissen, tatsächlich weder über Massenvernichtungswaffen noch (damals) über Verbindungen zum internationalen Terrorismus verfügte? Immerhin möchte sich nun auch die Nato dort engagieren. Irgendwie. Genaues steht noch nicht fest.

Während die Allianz vollmundig nach neuen Betätigungsfeldern sucht und der Umbau vom Verteidigungsbündnis zur Angriffsmacht weiter voranschreitet, werden die Schwierigkeiten kenntlicher, die es bereitet, die Trümmerfelder vergangener Siege aufzuräumen. Afghanistan ist dafür ein besonders eindrucksvolles Beispiel. Die Nato hat versprochen, mehr für den demokratischen Wiederaufbau des Landes zu tun. Wie viel mehr: darauf wollte man sich in Istanbul allerdings nicht festlegen. Ein paar zusätzliche Soldaten sollen die UN-mandatierte Schutztruppe verstärken, außerdem einige weitere militärisch-zivile Stützpunkte im Norden des Landes aufgebaut werden. Dass dies hinreichend ist, um die Situation zu stabilisieren, glaubt niemand. Am wenigsten der afghanische Präsident Karsai, dessen flehentliche Bitte um substanzielle Unterstützung ungehört verhallte.

Die militärischen Erfolge der letzten Jahre haben politische Misserfolge nach sich gezogen, die inzwischen die Sicherheit weiter Teile der Welt bedrohen. Wäre nicht allmählich eine Nato-Erklärung fällig, in der festgestellt wird, dass Angriffskriege einfach keine besonders gute Idee sind?

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