Terror in Kabul: Gefährliche Sicherheit
: KOMMENTAR VON THOMAS RUTTIG

Die Vorgehensweise bei dem Anschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul am Samstagmorgen sagt viel über die Haltung der Konfliktparteien zur afghanischen Bevölkerung aus.

Als der Attentäter sich in seinem sprengstoffgefüllten Auto in die Luft jagte, hatte er einen Tankwagen vor sich, der durch einen langen Schlauch Treibstoff über die stacheldrahtbewehrte Umfassungsmauer ins Kabuler US-Hauptquartier pumpte. Auf das Gelände selbst dürfen die afghanischen Fahrer aus Sicherheitsgründen nicht. Mehrmals pro Woche wird deshalb der Verkehr in der schmalen Straße angehalten, an der auch die deutsche Botschaft liegt. Das bekommen natürlich auch die Späher der Taliban mit. Man muss sich also eher wundern, dass sie nicht schon früher auf dieses Anschlagsziel gekommen sind.

Den Taliban sind sogenannte Kollateralschäden gleichgültig. Bei ihren Anschlägen liegt das Verhältnis von zivilen zu militärischen Opfern bei etwa zehn zu eins. Talibanchef Mullah Omars Anweisung, bei Operationen die eigenen Landsleute zu schonen, hat in der Praxis nichts bewirkt.

Verschärfte taktische Anweisungen zum Schutz der Zivilbevölkerung gelten seit vorigem Jahr auch für die US- wie Nicht-US-Bestandteile der Isaf-Schutztruppe. Bisher hat aber offenbar niemand daran gedacht, dass auch ihre nicht nur in Kabul häufig inmitten von Ortschaften errichteten Militäranlagen die Bevölkerung zur Zielscheibe machen, wenn Aufständische diese angreifen. Aufforderungen des Kabuler Parlaments und von Präsident Karsai, die Anlagen an die Stadtränder zu verlegen, verhallten ungehört. Am Beispiel der Treibstofflieferungen ist zu sehen, wie ausländische Akteure ihre Sicherheitsprobleme oft in die zivile afghanische Sphäre hineinverlagern. Sie erhöhen ihre eigene Sicherheit zu Lasten der Bevölkerung, die sie eigentlich schützen sollen.

Möglicherweise wird nun als Folge des Anschlags die Straße vor der deutschen Botschaft für den Zivilverkehr gesperrt. Das wäre ein weiterer Schritt zur Errichtung einer „Grünen Zone“ nach Bagdader Muster. Wie man aus einem solchen Bunker heraus die Realität draußen in den Griff kriegen will, weiß aber niemand.