EU-Vertrag mit Grundgesetz vereinbar

VERTRAG VON LISSABON Zur Ratifizierung muss dieser aber mit neuen Gesetzen begleitet werden, so die Karlsruher Richter

BERLIN taz/dpa/epd | Das Bundesverfassungsgericht hat den EU-Reformvertrag von Lissabon grundsätzlich gebilligt, aber eine stärkere Mitwirkung des Parlaments bei EU-Entscheidungen verlangt. Das höchste deutsche Gericht stoppte deshalb am Dienstag den laufenden Prozess zur Ratifizierung des Vertrags, bis die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden. Darüber soll in Bundestags-Sondersitzungen bis zum 8. September entschieden werden. Das Karlsruher Urteil über den Reformvertrag ist in allen Parteien überwiegend positiv aufgenommen worden. Auch die Kläger waren zufrieden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: „Es ist ein guter Tag für den Lissaboner Vertrag.“ Sie sei froh, dass sich die Fraktionen darauf verständigt hätten, das neue Begleitgesetz für den EU-Reformvertrag noch bis September zu verabschieden. Ähnlich wie Merkel reagierte auch SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier positiv. Er hob hervor, dass der Vertrag in vollem Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, einer der Kläger, sah sich in vollem Umfang bestätigt. Mit dem Urteil sei der Idee eines „Europas der Vaterländer“ Rechnung getragen worden. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Umsetzung des Urteils werde zur besseren Legitimation von Entscheidungen auf EU-Ebene führen. Die Grünen werteten den Richterspruch als „Erfolg für die parlamentarische Demokratie“, wie Fraktionschefin Renate Künast sagte. Die Linke, die zu den Klägern gehörte, betonte hingegen, das Bundesverfassungsgericht habe allen anderen politischen Parteien eine „demokratische Nachhilfestunde“ erteilt.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte das Urteil. Barroso erklärte in Brüssel, „dass wir den Prozess der Ratifizierung bis zum Herbst in allen EU-Ländern abschließen können“.

„Das Grundgesetz sagt Ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung“, sagte der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. In dem Urteil heißt es, die europäische Integration dürfe nicht zur Aushöhlung des demokratischen Herrschaftssystems in Deutschland führen. In den Mitgliedstaaten müsse „Raum zur Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse“ bleiben, argumentieren die Richter des Zweiten Senats. Das gelte besonders für die grundrechtlich geschützten Lebensumstände. Hoheitsrechte dürften nur übertragen werden, soweit keine Grundrechte betroffen seien. GB

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