KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH
: Gescheiterte Abschreckung

Justiz und Politik haben mit dem Feuer gespielt – und sich die Finger verbrannt

Yunus K. und Rigo B. sind freigesprochen worden. Für die ohne ausreichende Beweise wegen versuchten Mordes angeklagten Schüler ist damit ein Albtraum zu Ende gegangen. Die Ermittlungsbehörden haben eine Ohrfeige bekommen. Der Kampf gegen politisch motivierte Gewalt aber hat ein Desaster erlebt.

Denn selbstverständlich können Brandsätze oder Steinwürfe gegen Polizisten genauso wenig hingenommen werden wie das Anzünden von Autos – egal aus welchem Motiv. Verurteilungen sind wünschenswert, unter einer Prämisse: Es müssen die Täter vor Gericht gestellt werden – und nicht irgendwer, der mehr oder weniger zufällig in der Nähe war. Doch in den letzten Wochen sind gleich reihenweise Verfahren gegen angebliche Täter aus dem linken Spektrum wegen fehlender Beweise gescheitert – und das, nachdem die Verdächtigen Wochen oder gar Monate in Untersuchungshaft saßen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hier klar verletzt.

In den genannten Prozessen standen aber nicht ausschließlich die jeweils verhandelten Taten im Mittelpunkt. Nach den heftigen Ausschreitungen am letzten 1. Mai und der anhaltenden Welle von Brandstiftungen ging es stets ganz offen auch um Abschreckung. Da wurden Flaschenwerfer zu langjähriger Haft verurteilt – als deutliches Zeichen an jene, die meinen, sie hätten am 1. Mai einen Freibrief, wie es in einem Urteil hieß. Die Vorgaben aus der Politik waren entsprechend. Nicht nur die üblichen Hardliner der CDU forderten ein konsequentes Durchgreifen. Selbst der einst als besonnen bekannte Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) freute sich offen über Haftstrafen ohne Bewährung und forderte die Justiz auf, diesen Weg fortzusetzen – als Propaganda gegen mögliche Krawallmacher im nächsten Jahr. Ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich Körting nun ganz gehörig die Finger verbrannt hat.

Denn unter dem öffentlichen Druck haben Polizei und Staatsanwaltschaft überzogen. Zwar haben die Richter eingesehen, dass sich auch überzeugt auftretende Polizisten täuschen können. Doch die Kehrtwende in den jeweiligen Prozessen kam spät, zu spät. Die von Körting erhoffte Propagandawirkung auf die gewaltbereite linke Szene hat sich längst ins Gegenteil verkehrt. Die darf sich in ihren Vorurteilen über den „Scheiß Bullenstaat“ komplett bestätigt fühlen. Die Zahl der Gewalttaten senkt man so nicht.