Kommentar Hühnerschlachthof: Schlachten fürs Monopol

Der Mega-Schlachthof wird die Industrialisierung der Geflügelhaltung beschleunigen. Der Staat könnte diesen Trend abschwächen, wenn er Subventionen nur noch gezielt einsetzt.

Es sind Dimensionen, die erschaudern lassen: Jährlich 130 Millionen Hühner sollen in dem geplanten Schlachthof im niedersächsischen Wietze in Akkordarbeit getötet werden. Damit wäre die Anlage der größte Geflügelschlachthof Europas. Zu Recht fürchten Bürgerinitiativen, dass dann täglich mehr als 100 Lastwagen durch den Ort brettern werden, um die Schlachttiere anzuliefern. Und dass der Betrieb das Grundwasser belasten könnte. Aber die negativen Folgen reichen über das Dorf Wietze hinaus.

Denn der Mega-Schlachthof wird die Industrialisierung der Geflügelhaltung in Deutschland beschleunigen. Wo ein Schlachthof ist, da sind auch Ställe, die die Tiere liefern. 400 neue Anlagen mit jeweils 40.000 Hühnern sollen es in diesem Fall sein. In solchen Massenbetrieben verkommt das Tier zur bloßen Produktionseinheit - für Tierschützer ein unhaltbarer Zustand. Wegen der schieren Masse der Hühner sind die Geruchs- und Wasserbelastungen durch den Kot an einem Ort höher, als wenn sie auf mehrere Orte verteilt werden. Und die riesigen wie Blechbatterien aussehenden Ställe verschandeln zudem touristisch attraktive Landschaften.

Die Bauern verlieren in diesem System an Unabhängigkeit, das zeigen die Erfahrungen an anderen Standorten. Sie liefern meist ausschließlich an einen Schlachthof und müssen das Futter von derselben Firma beziehen. Schon jetzt ist absehbar, dass die großen Mastanlagen mehr produzieren werden, als Hähnchenfleisch verkauft werden kann. Experten sehen pro Jahr nur Bedarf für 80 neue 40.000-Tiere-Ställe. Geplant sind bundesweit aber etwa 900 Anlagen. Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb, in dem nur die größten Unternehmen überleben, die am billigsten produzieren. Viele kleine Familienbetriebe werden auf der Strecke bleiben, die Konzentration wird zunehmen. So ist es auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft - ob bei der Milch oder beim Schweinefleisch. Irgendwann leiden darunter auch die Verbraucher, denn wenige Konzerne legen dann Qualität und Preise fest.

Die Politik kann diesen Trend abschwächen. Der Staat sollte Subventionen nur noch für Betriebe vergeben, die besonders tier- und umweltfreundlich sind oder für ihre Größe viele Arbeitsplätze bieten. Dafür zu kämpfen lohnt sich gerade jetzt: Dieses Jahr werden in Brüssel die ersten Weichen gestellt für eine Reform des Beihilfesystems.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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