Tunesier auf dem Abstellgleis

EUROPA Frankreich sperrt eine Bahnstrecke, um Flüchtlinge aus Italien abzuwehren. Bayern nennt Italiens Verhalten „eine Zumutung“ und will Tunesier abfangen

BERLIN taz | Der europäische Streit darüber, wie man mit tunesischen Flüchtlingen umgeht, eskaliert: Frankreich legte am Sonntag für mehrere Stunden eine Eisenbahnverbindung ins benachbarte Italien still, weil Tunesier dort einreisen wollten. Die Flüchtlinge hatten über die Insel Lampedusa Europa erreicht und waren von der Regierung in Rom mit Visa ausgestattet worden.

Italiens Außenminister Franco Frattini protestierte gegen den Stopp der Züge zwischen Ventimiglia und Nizza. Der französische Innenminister Claude Guéant konterte, sein Land habe sich „bis aufs Komma genau“ an die Vorschriften des Schengener Abkommens gehalten, das die Einreisebedingungen regelt. Frankreich bestehe darauf, dass die Tunesier genügend Geld bei sich haben müssen, um sich versorgen zu können.

Die EU-Kommission zeigte Verständnis für die französische Haltung: Dem ersten Eindruck zufolge habe Paris das Schengener Abkommen nicht verletzt, sagte ein Beamter. Bayerns Innenminister Herrmann empörte sich über die italienische Visavergabe an die Tunesier. Dieses Verhalten sei „eine Zumutung“, sagte er. Herrmann äußerte Verständnis für die französische Haltung. „Im Rahmen unserer Schleierfahndung beobachten wir in Südbayern, ob jemand so nach Deutschland reist.“

An der italienisch-französischen Grenze reagierten die Tunesier und italienische Unterstützer mit der zeitweisen Besetzung des Bahnhofs von Ventimiglia. Am Montag rollte der Zugverkehr wieder. Allein zwischen dem 23. Februar und dem 28. März sind in Frankreich 2.800 tunesische Migranten entdeckt worden. Nach Angaben des Innenministers seien 1.700 von ihnen schon ausgewiesen worden, die meisten nach Italien.

Italien hatte allen Tunesiern, die vor dem 5. April das Land erreicht hatten, die europäischen Visa angeboten. Das betrifft weniger als 20.000 Personen. Spätere Ankömmlinge sollen nach Tunesien abgeschoben werden.

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