Kommentar Einigung Hamas und Fatah: Späte Einsicht

Trotz aller Schwierigkeiten ist die Versöhnung zwischen Hamas und Fatah ein Grund zur Freude. Ein palästinensischer Staat hat wieder Kontur bekommen.

Ein vierjähriger palästinensischer Anachronismus geht zu Ende. Die "Zweistaatenlösung", wie die politische und territoriale Teilung zwischen Fatah und Hamas, zwischen Westjordanland und Gaza ironisch genannt wurde, wird aufgehoben. Dies ist auf palästinensischer Seite ein Grund zur Freude, ungeachtet aller schwierigen Details.

Und es könnte auch auf israelischer Seite ein Grund zur Freude sein, wenn die Herren Lieberman und Netanjahu einmal nicht ihrem politischen Reflex folgen, sondern ein wenig nachdenken würden. Die Hamas hat sich längst mit einem Staatswesen in den Grenzen von 1967 abgefunden, auch wenn sie Israel nicht anerkennen und dem bewaffneten Kampf nicht abschwören will, bevor ein solcher Staat existiert.

Die anvisierten Wahlen in den palästinensischen Gebieten könnten durchaus eine gemäßigte Führung hervorbringen, zumal die Hamas bei Umfragen in Gaza beständig an Sympathie eingebüßt hat. Die Chance, dass sich die Raketenüberfälle aus Gaza auf Israel dauerhaft auf null zurückfahren lassen, ist gegeben. Auch der gewünschte Gefangenenaustausch und die Freilassung des israelischen Soldaten Shalit könnten beschleunigt werden. Was würde Israel sich vergeben, es wenigstens zu versuchen?

Es ist freilich nicht zu leugnen, dass die Hamas weniger aus echter Einsicht in die neue Eintracht ihre vorsichtige Zustimmung gegeben hat. Gewiss ist die neue ägyptische Führung der Hamas bei den Formulierungen des Abkommens entgegengekommen, was sich dem Amerika-abhängigen Mubarak-Regime verbot. Die Schwächung des syrischen Partners dürfte Hamas aber auch vor Augen geführt haben, dass ein islamisches Kalifat in Gaza auf Dauer nicht wirklich überlebensfähig ist. So hat die arabische Revolte im Einklang mit den Demonstrationen in Gaza und Ramallah für eine Aufhebung der Spaltung auch in Palästina einen Durchbruch herbeigeführt.

Ein palästinensischer Staat in den Grenzen von 1967 hat damit wieder eine reale Kontur bekommen. Dies dürfte den Palästinensern helfen, die UNO und die internationale Gemeinschaft für eine Anerkennung dieses Staates zu mobilisieren und ein Ende der fast 44-jährigen Besetzung durch Israel einzuläuten. Bislang haben Fatah und Hamas immer gezögert, wenn es galt, den letzten Schritt zu tun, um die Spaltung zu überwinden. Man kann jetzt nur hoffen, dass sie nicht erneut einen Rückzieher machen.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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