Kommentar Mindestlohn: Willkommen im Land der Nichtstuer

Die Bundesregierungen haben beim Mindestlohn nichts getan. Die Leidtragenden dieser Politik werden nach der Arbeitsmarktöffnung die Arbeitnehmer in Niedriglohnjobs sein.

Endlich ist es so weit: Osteuropäer aus acht Staaten können ab Sonntag ein europäisches Grundrecht verwirklichen. Es ist die Freiheit, sich auch in Deutschland auf die Suche nach besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen zu machen.

Doch diese Freiheit hat ihre Tücken. Wissenschaftler prognostizieren seit Wochen, wie viele Menschen kommen werden. Diese Schätzungen gehen zwar auseinander, doch in einem sind sich die Forscher einig: Die Zuwanderung wird die Löhne nicht nach unten treiben und die Arbeitslosenquote nicht nach oben. Das ist ein beruhigendes, aber unvollständiges Bild.

Denn die Migration von Menschen, für die ein Monatsgehalt von 1.000 Euro das Doppelte oder Dreifache dessen ist, was sie gerade verdienen, wird die Lohnstruktur gewaltig unter Druck setzen. Und zwar vor allem dort, wo die Tarifbindung gering ist, gewerkschaftliche Vertretungsmacht bröckelt oder gar nicht existiert und es keine Mindestlöhne gibt, beispielsweise im Wach- und Sicherheitsgewerbe oder in Hotels und Gaststätten. Der Grund: Die Bundesregierung wehrt sich stur gegen weitere Branchenmindestlöhne und erst recht gegen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn.

EVA VOELPEL ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz.

Dabei zeigt Großbritannien, wo seit 2004 Hunderttausende Osteuropäer arbeiten: Zuwanderung kann das Wirtschaftswachstum fördern und die Erwerbsbevölkerung verjüngen. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, der auf der Insel seit Jahren existiert, verhindert das mieseste Dumping - zum Wohl der alteingesessenen und der neuen Arbeitskräfte.

Als Deutschland bei der EU-Osterweiterung 2004 seinen Arbeitsmarkt abschottete, hieß es, man sei noch nicht ausreichend vorbereitet auf die Zuwanderung aus Osteuropa. In den vergangenen sieben Jahren haben die beiden Bundesregierungen dann jedoch vor allem eines getan: die Beine hochgelegt und abgewartet. Die Leidtragenden dieser Politik werden jetzt vor allem Arbeitnehmer in Niedriglohnjobs, geringer Qualifizierte, alteingesessene MigrantInnen und die Neuankömmlinge selbst sein.

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