Kommentar Urteil zu Nachtflugverbot: Das Recht auf Ruhe

Lärm macht krank, und zwar schwerwiegend. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Inseln der Ruhe finden. Dafür ist die Nacht da. Und der Gesetzgeber.

Derzeit wird in Deutschland viel darüber diskutiert, warum große Infrastrukturprojekte - siehe Stuttgart 21 - so umstritten sind. Warum provozieren sie den Protest aufgebrachter Bürger, die sonst nicht zum Revoluzzertum neigen? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat jetzt eindrucksvoll gezeigt, warum das bürgerliche Misstrauen berechtigt ist - indem es nächtliche Flüge, nämlich von 22 bis 0 Uhr und von 5 bis 6 Uhr, am künftigen Berliner Großflughafen ausdrücklich erlaubt. Ganz so, als hätten die betroffenen Anwohner kein Recht auf eine ruhige Nacht.

Mag sein, dass das alles juristisch einwandfrei ist - dennoch geht von dem Urteil ein fatales Signal aus: Die schädlichen Folgen von Verkehrs- und Fluglärm werden immer noch unterschätzt. Oder sie werden ignoriert, damit Unternehmen ihre Profite steigern können.

Fraglos braucht ein Industrieland mit einer ausdifferenzierten Arbeitsteilung eine leistungsfähige Infrastruktur. Und fraglos war auch die Berliner Standortentscheidung nachvollziehbar, die innerstädtischen Flughäfen in Tempelhof und Tegel zu schließen und den Flugverkehr künftig am südöstlichen Stadtrand zu bündeln. Schließlich waren in der Innenstadt viel mehr Menschen von Fluglärm betroffen als es in den Vororten sein werden.

RICHARD ROTHER ist Redakteur im taz-Ressort Umwelt und Wirtschaft.

Dennoch sollten die Belastungen durch die Infrastruktur so gering wie möglich sein. Dazu gehören nicht nur Lärmschutzwände an Straßen und Schienen, sondern eben auch Nachtflugverbote in Ballungsräumen, was Hunderttausende Menschen in Berlin, Frankfurt und München begrüßen würden. Auch wenn die Kapazität und damit Profitabilität der Flughäfen dadurch ein wenig sinkt. Dafür muss der Gesetzgeber sorgen.

Schließlich ist es in anderen Politikfeldern - etwa in der Agrar- und Verbraucherpolitik - gängige, wenn auch umkämpfte Erkenntnis, dass das Gewinnstreben von Unternehmen nicht wichtiger als das Interesse der Konsumenten nach gesunden Produkten sein sollte. Diese Erkenntnis fehlt in der Verkehrspolitik häufig, vor allem beim Lärm.

Dabei macht Lärm krank, und zwar schwerwiegend. Und: Umso hektischer und stressiger das durchdigitalisierte (Arbeits-)Leben wird, umso wichtiger ist es, dass die Menschen Inseln der Ruhe finden. Dafür ist die Nacht da - damit die Menschen ungestört schlafen, lesen, kuscheln oder Sterne gucken können.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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