Kommentar Insolvenz Schlecker: Wer rettet die Schlecker-Frauen?

Fast die Hälfte aller Schlecker-Angestellten soll entlassen werden. Wird die Politik sich für sie einsetzen oder gelten weibliche Billigarbeitsplätze nicht genug?

Welch eine Nachricht mitten in den Jubelgesängen aufs Wirtschaftswunderland Deutschland: 12.000 Schlecker-Angestellte, fast die Hälfte aller Mitarbeiter, werden voraussichtlich entlassen. Mitarbeiter? Nein, Mitarbeiterinnen werden es sein, denn bei der größten Drogeriemarktkette arbeiten nun einmal fast ausschließlich Frauen.

Während also der mediale und politische Stolz auf die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik langsam unangenehme Züge annimmt, sollen tausende schlecht verdienende Frauen demnächst auf der Straße sitzen. Ob sie woanders unterkommen? Anders als in der Industrie ist die Nachfrage nach Arbeitskräften im Einzelhandel derzeit sehr begrenzt.

Nun hat der Niedergang des Drogeriediscounters weniger mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als vielmehr mit der rückwärtsgewandten Struktur des Unternehmens zu tun. Jahrzehntelang wurde es vom Patriarchen Anton Schlecker auf nichts anderes als Expansion getrimmt. All die schönen Ideen – für Transparenz in der Firma, bessere Arbeitsplätze, breitere Ladengänge und ein insgesamt moderneres Image zu sorgen –, kamen eben zu spät, Schlecker blieben die Käuferinnen und Käufer weg.

Die bevorstehenden Massenentlassungen sind deshalb im bekannten zynischen Sinne auch ein Kollateralschaden der Kundenaufklärung: Viele kauften nicht zuletzt auch deshalb bei der Konkurrenz, weil sie den als schmuddeligen Ausbeuter angeprangerten Betrieb nicht mehr mochten.

Seit Schlecker im Januar Insolvenz angemeldet hat, werden die Löhne der Mitarbeiterinnen von der Bundesagentur für Arbeit – also den Beitragszahlern – gezahlt. Ebenso wie die Beschäftigten dürfte es diese interessieren, ob tatsächlich alles unternommen wird, den Stellenabbau abzufedern. Wird es Politiker geben, die sich nach dem Vorbild der Debatte um die Opel-Rettung trauen, den Beschäftigten etwas zu versprechen? Alles andere könnte die Vermutung nahelegen, dass weibliche Billigarbeitsplätze weniger als männliche Metallarbeitsplätze gelten.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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